wirtschaft und weiterbildung 2/2018 - page 17

wirtschaft + weiterbildung
02_2018
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Stichwort Matching-Technologien: Kannibalisieren die
Jobbörsen damit nicht ihr eigenes Geschäftsmodell, indem sie
ihren Onlinestellenmarkt überflüssig machen?
Kenk:
Das ist ein neues, spannendes Geschäftsfeld. Denn tat-
sächlich sind die sozialen Medien einfach noch nicht so weit
fortgeschritten in ihrer Automation wie die großen Jobbörsen.
Matching ist immer noch die Domäne von Big Playern wie
Monster, Stepstone, Indeed und wie sie alle heißen. Soziale
Medien stellen zwar den Recruitern ihre Mitgliederpools für
Active Sourcing zur Verfügung. Aber nicht jeder normale Re-
cruiter hat die technischen Skills, um mit booleschen Opera-
toren in der Suche einwandfrei umzugehen.
Andererseits verfügen die sozialen Netzwerke über größere
Datenpools.
Kenk:
Ja, die Crux bei der Sache ist: Die Jobbörsen müssen
dafür bessere Kandidatenpools aufbauen. Bisher haben sie
natürlich von den Stellenanzeigen profitiert. Das war ihre Er-
lösquelle und alle Aktivitäten in Bezug auf Bewerber stellten
Kostenfaktoren dar, aus denen sie nicht unmittelbar Umsätze
generierten. Aber natürlich könnte sich das langfristig auszah-
len. Doch um einen Kandidatenpool aufzubauen, muss man
eine bestimmte kritische Masse erreichen. Wenn eine Jobbörse
10.000 Stellenanzeigen hat und nur 500 Kandidaten, wird das
Matching nicht wirklich seriös funktionieren. Neben einer
großen Zahl müssen die Kandidatenprofile auch aktuell sein.
Foto: Crosswater-Job-Guide
Der Bewerber muss immer wieder motiviert werden, sein Kan-
didatenprofil jedes Jahr oder bei jedem Karriereschritt abzu-
daten. Das ist schwierig, denn Bewerber können nicht nur auf
ein Pferd setzen. Sie sollten in mehreren Kandidatenpools aktiv
sein.
Es wird darüber spekuliert, dass demnächst „Google for jobs“
nach Deutschland kommt ...
Kenk:
„Google for jobs“ wurde im Juni 2017 mit großen Fan-
faren angekündigt. Allerdings bezieht sich das alles auf den
amerikanischen Markt. „Google for jobs“ erlaubt es derzeit
nicht, dass man im deutschsprachigen Raum darauf zugreift –
es wird eine geografische Kontrolle des Servers durchgeführt.
Normalerweise funktionieren die Rollouts bei Google schneller,
aber das zeigt, dass die technischen Anforderungen bei die-
sem Thema sehr hoch sind. Das ist auch ein sprachliches und
kulturelles Problem, denn bestimmte Job-Families lassen sich
nicht so einfach übersetzen. Deswegen muss Google umfang-
reiche Datenbanken aufbauen, die auf komplexen Taxonomien
und semantischer Texterkennung basieren. Wann Google for
jobs nach Deutschland kommt, lässt sich deshalb schwer vor-
hersagen.
Interview: Stefanie Hornung
Hinweis:
Gerhard Kenk moderiert auf der „Talent pro“ in Mün-
chen am Donnerstag, 22. März 2018 ab 16.50 Uhr die Diskus-
sionsrunde „Die besten Jobbörsen 2018“
Gerhard Kenk.
Seit 18 Jahren ist er „der“ deutsche Experte
für die ökonomische und technische Entwicklung der
Jobbörsen und berichtet über sie in seinem täglichen Blog
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