wirtschaft und weiterbildung 6/2018 - page 36

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
06_2018
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ UND HR.
Was können Algorithmen im Personalmanagement
leisten und welche Tücken gibt es? Darüber sprach Bärbel Schwertfeger mit der
Informatik-Professorin Katharina Zweig am Rande einer Konferenz zum Thema
„künstliche Intelligenz“. Zweig ist Professorin im Fachbereich Informatik an der
Technischen Universität Kaiserslautern und leitet dort das Algorithm Accountability Lab.
Regeln gibt. Sie suchen daher Muster
in hoch verrauschten Datensätzen und
diese Muster sind grundsätzlich statisti­
scher Natur. Algorithmen basieren stets
auf Korrelationen von Eigenschaften mit
dem gewünschten Verhalten, also in dem
Fall mit erfolgreichen Mitarbeitern. Sie
geben aber immer nur Wahrscheinlich­
keiten und keine Wahrheiten an. Zu 70
Prozent erfolgreich bedeutet daher: Von
100 Personen, die laut Computer „genau
so sind“ wie dieser Mensch, sind nur 70
später auch erfolgreich.
Es geht also darum, neue Zusammen-
hänge zu finden?
Zweig:
Ein großer Vorteil ist, dass Algo­
rithmen kleine statistische Ungleich­
gewichte für Entscheidungen nutzen
können. Für den Menschen müssen die
Unterschiede dagegen relativ groß sein,
damit er sie als eine Entscheidungsgrund­
lage nutzen kann. Der Algorithmus findet
zum Beispiel aus der Analyse von Le­
bensläufen heraus, dass Mitarbeiter, die
mindestens sechs Monate ein Praktikum
in Osteuropa gemacht haben, fünf Pro­
zent öfter leistungsbereit sind als diejeni­
gen, die kein solches Praktikum gemacht
haben. So lassen sich viel mehr Dimensi­
onen testen und ihre Korrelation zu einer
Erfolgsvariable berechnen. Das kann na­
türlich eine Entscheidung verbessern.
Können Algorithmen dabei völlig
überraschende Kriterien entdecken?
Zweig:
Ich halte es für unwahrscheinlich,
dass es im Personalmanagement noch
wesentliche Kriterien gibt, die bisher
nicht berücksichtigt wurden. Und überra­
schende Kriterien sind oft auch nur Platz­
halter für etwas anderes. Nehmen Sie die
Anzahl der Fremdsprachen, die jemand
spricht. Da sollte das Unternehmen erst
einmal herausfinden, für was diese Vari­
able steht. Wenn sie für Intelligenz steht,
misst man besser direkt den IQ. Manch­
mal ist es daher besser, sich zusammen­
zusetzen und gute Expertensysteme mit
klaren Regeln aufzustellen, nach denen
man Personalentscheidungen trifft.
Also doch lieber Finger weg?
Zweig:
Der Computer kann einen Wust
von Daten wie Zeugnisse, Bewerbungs­
schreiben oder Praktika zum Beispiel auf
ein paar Dimensionen wie Motivation,
Professionalität und Passgenauigkeit re­
duzieren. Und er ist gut darin, die 30 Pro­
zent schlechtesten Bewerber auszusortie­
ren. Das kann schon eine enorme Arbeits­
erleichterung sein. Aber ein Algorithmus
sollte keine Entscheidung in Form einer
einzigen Zahl treffen. Die ganze Komple­
xität eines Menschen auf eine Zahl he­
runterzubrechen, halte ich für gefährlich.
Die Anbieter von HR-Software werben
oft mit einer hohen Zahl von Daten und
wollen damit ihre Qualität belegen. Was
ist da dran?
Zweig:
Es gibt zwei wichtige Zahlen. Die
eine gibt an, mit wie vielen Fällen das
System trainieren durfte. Da ist eine hohe
Zahl immer gut. Das andere ist, wie viele
Informationen es über einen Datenpunkt
gibt, also über eine Person. Bei einem Be­
werber können das schon mal 300 sein.
Sind Algorithmen die besseren
HR-Manager?
Prof. Dr. Katharina Zweig:
Es gibt eine
Vielzahl von Studien, die zeigen, dass
Menschen manchmal irrational und vor­
urteilsbeladen agieren. So bekommen Be­
werber mit einem deutschen Namen 14
Prozent häufiger Vorstellungsgespräche
als solche mit türkischen Namen. Und
Frauen mit Kopftuch erhalten weniger
Jobangebote als solche ohne. Dagegen
können Computer Entscheidungen mit
konsistenten Ergebnissen liefern.
Also sind Algorithmen neutraler?
Zweig:
Sie sind leider längst nicht so
objektiv, wie man denkt. Denn um zu
lernen, erfolgreiche von weniger erfolg­
reichen Mitarbeitern zu unterscheiden,
brauchen Algorithmen mehrere Variab­
len, wie das Studienfach und das Arbeits­
zeugnis von erfolgreichen Mitarbeitern im
Unternehmen. Die Auswahl der Variablen
ist aber immer auch vom Menschenbild
des Verantwortlichen abhängig. Berück­
sichtigt man zum Beispiel die Leerzeiten
im Lebenslauf als Entscheidungsvariable,
kommt vermutlich heraus, dass dieje­
nigen mit längeren Leerzeiten weniger
erfolgreich sind. Damit würde man aber
automatisch alle diskriminieren, die eine
Elternzeit oder krankheitsbedingte Aus­
zeit genommen haben. Das passiert leider
oftmals ungewollt.
Wann ist es überhaupt sinnvoll,
Algorithmen zu nutzen?
Zweig:
Algorithmen werden vor allem
da eingesetzt, wo es keine einfachen
„Algorithmen sind keine
Wundermittel“
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