Wirtschaft- und Weiterbildung 9/2018 - page 32

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
09_2018
Das fängt bei den sogenannten mittleren
Führungskräften an. Sie sind um ihre
„Sandwich-Position“ als Mittler zwischen
den „Chefs ganz oben“ und den „Wer-
kern“ auf der operativen Ebene nicht zu
beneiden. Denn sie bekommen die Ner-
vosität und Hektik, die in den Chefetagen
vieler Unternehmen herrscht, meist un-
mittelbar zu spüren. Und weil sie selbst
unter einem enormen Druck stehen,
geben sie diesen nicht selten ungefiltert
an ihre Untergebenen weiter. Dabei gilt
die Faustregel: Der Umgangston wird
umso rüder und rauer
• je weiter man in der Unternehmenshie-
rarchie nach unten kommt
• je einfacher die Mitarbeiter aufgrund
ihrer (geringen) Qualifikation von den
Unternehmen durch andere Personen
zu ersetzen wären.
Denn auch in vielen Unternehmen gilt:
Den Letzten beißen die Hunde. Oder wie
es ein Personalmanager mal eleganter
formulierte: „Unsere Top-Führungskräfte
und -Spezialisten hofieren wir, den Rest
unserer Kernmannschaft pflegen wir. Und
das Fußvolk? Das gliedern wir soweit
möglich aus und minimieren die Kosten.“
Mitarbeiter mutieren zu
Human-Kapital
Schon lange gibt es denn auch in den
meisten (größeren, als Holding struktu-
rierten) Unternehmen nicht mehr ein
Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es
sich früher in solchen Begriffen wie die
Siemens- oder Bosch-Familie ausdrückte.
Und in welchen Betrieben nennen sich
die Mitarbeiter heute noch stolz wie frü-
her zum Beispiel „Opelaner“? Nur in ganz
wenigen Unternehmen ist dies noch der
Fall! In viel mehr Unternehmen reagiert
heute – obwohl in ihnen zunehmend eine
bereichs- und funktionsübergreifende
Team- und Projektarbeit praktiziert wird –
das Einzelkämpfertum (zumindest wenn
es hart auf hart kommt). Jeder ist, über-
spitzt formuliert, mit dem eigenen Über-
leben beschäftigt.
Das überrascht zum Teil. Denn die deut-
sche Wirtschaft boomt seit circa einem
Jahrzehnt. Und die Zahlen fast aller Un-
ternehmen stimmen. Deshalb könnten
die Verantwortlichen an der Spitze eigent-
lich relaxt sein und die Herausforderun-
gen – vor denen ihre Unternehmen ohne
Zweifel unter anderem aufgrund der Digi-
talisierung stehen – ganz entspannt und
systematisch angehen. Das tun sie aber
Führungskräfte sollten einen wertschät-
zenden, von wechselseitigem Respekt
geprägten Umgang mit ihren Mitarbei-
tern pflegen. Das wird in Führungsse-
minaren immer wieder betont. Doch im
Arbeitsalltag spüren die Mitarbeiter oft
wenig hiervon. Im Alltag herrscht nicht
selten ein eher rauer Ton, und selbst
die einfachsten Benimm-Regeln, die im
menschlichen Miteinander eigentlich gel-
ten, werden oft vergessen.
Da geht zum Beispiel ein altgedienter
Mitarbeiter in den Ruhestand, ohne dass
zuvor ein Vorgesetzter mal vorbeischaute,
er die Hand schüttelte und ein Wort des
Dankes sagte. Da wird zum Beispiel eine
hochqualifizierte und -engagierte Fach-
kraft, die in einem Meeting sachliche Be-
denken gegen die Planungen ihres Vorge-
setzten äußert, von diesem vor versam-
melter Mannschaft angeraunzt: „Wollen
oder können Sie nicht?“ In beiden Fällen
sind Sie hier fehl am Platz.“ Da erhält
zum Beispiel eine Controllerin von ihrem
Chef, der zwei Zimmer weiter sitzt, zehn
Minuten vor Feierabend per Mail die An-
weisung, sie müsse bis nächsten Morgen
eine Präsentation vorbereiten, obwohl
dieser weiß: Sie muss ihr Kind pünktlich
vom Hort abholen.
Der Umgangston wurde
erschreckend rauer
Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig
fortsetzen. Die Anekdoten aus dem Be-
triebsalltag, die man als Trainer in Semi-
naren hört, ergeben hierfür einen großen
Fundus. Und regelmäßig hört man von
den Teilnehmern: „Das Klima in unserem
Betrieb hat sich verschlechtert. Der Um-
gangston wird immer rauer.“
Mehr Respekt bitte!
KOMMUNIKATION.
In vielen Betrieben ist der Umgangston in den vergangenen Jahren
trotz guter Wirtschaftslage rauer und teilweise sogar emotional verletzender geworden.
Das wirkt sich negativ auf die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter sowie –
zumindest mittelfristig – auf deren Leistung aus.
Dr. Albrecht
Müllerschön
ist Inhaber der
M ü l l e r s c h ö n
Managementbe-
ratung in Starzeln (Baden-Württem-
berg). Er unterstützt Unternehmen
und ihre Mitarbeiter bei der Bewäl-
tigung von Change-Vorhaben. Der
Wirtschaftspsychologe ist Experte für
Personalauswahl, Personalentwick-
lung und Coaching. Er ist auch Lehrbe-
auftragter der Uni Tübingen und Autor
mehrerer Fachbücher.
Albrecht Müllerschön
Managementberatung
Kirchsteige 6, D-72393 Starzeln
Tel. +49 7477 151105
AUTOR
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