training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
09_2018
Erfolg und gleichermaßen auch für ihr
Scheitern verantwortlich gemacht werden
können.
Psychodynamische Erkenntnisse der Per-
sönlichkeitsentwicklung auf deutsche
Politiker anzuwenden, ist nicht üblich.
Die Arbeit mit Projektion, Resonanz und
Unbewusstem wird in der Politik oftmals
noch gemieden – sollte aber wesentlich
konsequenter genutzt werden. Das würde
nicht nur dem Einzelnen und seiner Kar-
riere helfen, sondern auch dem innerpar-
teilichen Miteinander. Rationales wäre
dann viel leichter von Irrationalem zu
trennen.
Auf der Basis psychodynamischer Coa-
ching-Methoden könnte erreicht werden,
dass Politiker nachhaltige Veränderungen
im Verhalten zeigen. Ein Bewusstsein für
die inneren Abläufe und ihr Zusammen-
spiel würde Fehlentscheidungen sicher-
lich verringern.
Politiker zu sein, ist kein einfacher Rol-
lenwechsel zwischen privater und öf-
fentlicher Person. Es gibt den „Politiker“
im Grunde nicht wirklich privat. Das
Wachsen, Werden und Sein in einer
Rolle, die die Öffentlichkeit in besonde-
rer Weise wahrnehmen soll, verschluckt
die Empfindungen und Merkmale der
Privatperson. Es ist ein langsamer und
schleichender Prozess, der nahezu alle
Politiker in verschiedenartigen Kontexten
einholt. Die Vermischung beider Gestal-
ten ist kein Einzelschicksal. Tagtäglich
geben Berater Politikern den Tipp, Rolle
und Mensch nicht zu verwechseln. Die-
ser Rat ist allerdings genauso hilfreich
wie der Ratschlag „sei doch kreativ". So
etwas lässt sich über einen gut gemein-
ten Apell nicht bewerkstelligen. Vielmehr
braucht der Politiker ein gut geschultes
Gegenüber – ganz ohne eigene Agenda.
Er braucht einen wachsamen Coach oder
Persönlichkeitsentwickler, der sich aus-
schließlich auf die Signale seines Klien-
ten konzentriert und dort Antworten gibt,
wo das psychische System des Politikers
blockiert ist und keine aufschlussreichen
Erkenntnisse mehr liefert. Dazu ein paar
Praxisbeispiele:
1.
Emotionaler Erschöpfung begegnen
Der Kommunalpolitiker Markus Müller
hat in letzter Zeit gefühlt Hunderte von
Die Politik hat ihre eigenen Regeln und
Besonderheiten, die man als Politiker
kennen, verinnerlichen und lieben muss.
Wer sich also nicht bereits in jungen Jah-
ren in einem Ortsverband engagiert und
der berühmten „Ochsentour“ stellt, wird
sich später schwertun, in der Politik Fuß
zu fassen. Der Weg an sich ist ein großer
Teil des Ziels.
Nicht zuletzt führt ein langandauerndes
Engagement zu dem benötigten Netz-
werk, um in einer Partei weiterzukom-
men. Interessant ist, dass erfolgreiche Po-
litiker meistens sehr dynamische „Antrei-
ber“ in sich tragen, die sowohl für ihren
Auch Politiker brauchen
Coaching
PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG.
Wer Politiker wird und sich möglichst lange behaup-
ten will, legt sich in der Regel ein „dickes Fell“ zu. Doch das ersetzt keine kontinuierliche
Selbstreflexion. So scheitern viele Politiker im Laufe der Jahre an sich selbst. In diesem
Fachartikel geht es um die Frage, warum gerade in der Politik ein Coaching, das sich um
Persönlichkeitsentwicklung kümmert, keine große Rolle zu spielen scheint.
Foto: Tom Merton / getty images
Aufmerksamkeit.
Die private
Person verschwindet hinter der
öffentlichen Rolle.