Wirtschaft- und Weiterbildung 9/2018 - page 44

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
09_2018
2.
Unabhängigkeit
Der Coach sollte unabhängig genug sein,
den Vertrag zu kündigen, wenn er keinen
echten Kontakt mit dem Klienten herstel-
len kann. Das kann zu Beginn und auch
während des Prozesses passieren – muss
dann aber vom Coach beim Klienten an-
gesprochen und gut thematisiert werden.
3.
Kommunikation mit dem Team
Das Team (dazu kann auch die Familie
gehören) gehört immer auch zur Gesamt-
kommunikation und sollte an den wich-
tigen Stellen mit einbezogen werden. In-
wieweit und wer – das wird immer in Ab-
sprache mit dem Klienten durchgeführt.
4.
Keine vorschnellen Interventionen
Vorschnelle innere Konzepte legen die
Strategie falsch fest. Die meisten Themen,
die sich einem Coach in den ersten Tagen
aufdrängen, haben meist mit der eige-
nen Vorkenntnis und Erfahrung zu tun
und weniger mit dem zu beobachtenden
Klienten-System. Hier sollte man immer
auch der eigenen Wahrnehmung neutral
begegnen und offen bleiben. Sätzen wie
„So ist es!“ sollte man per se misstrauisch
gegenüberstehen. Sie sind die Irrlichter
am Firmament.
5.
Veränderung findet ständig statt –
Entwicklung auch
Der Coach geht in seiner Beobachtung
davon aus, dass alles im Leben fließt und
seinen Weg findet. Stagniert etwas oder
wird etwas als Problem empfunden, fragt
der Coach weniger nach der schnellen Lö-
sung, sondern vielmehr nach dem Grund
des Stillstands. Warum wird etwas wie
verhindert? Welches innere Konzept oder
Muster liegt dem psychischen System
zugrunde? Im Beispiel Huber wird der
Coach nicht den Alkohol thematisieren,
sondern das dahinterliegende Bedürfnis
konsequent bearbeiten.
6.
Resonanz und Kontakt
Der Coach ist im Ideal geschulter Reso-
nanzkörper und versteht sich zu jeder
Minute als Anwalt des Klienten. Er macht
sich selbst nicht groß und behält Demut
vor dem Gegenüber. Ein Berater ist nur
dann wirklich gut, wenn er die Augen-
höhe hält und auch unter schwierigen
Umständen im guten Kontakt bleibt.
Fazit:
Coaching und Persönlichkeitsent-
wicklung ist in politischen Strukturen
ebenso wichtig wie in der Wirtschaft.
Gerade die großen politischen und inhalt-
lich sehr komplexen Herausforderungen
gehen an die Grenzen der menschlichen
Substanz und müssen aufgearbeitet, re-
flektiert und gut besprochen werden. Der
Politiker egal welcher Couleur und egal
welchen Alters braucht die Chance, in
einen Spiegel zu sehen und sich selbst
darin erkennen zu dürfen.
Franziska Dannecker-Scharf
R
„Viele Politiker tun nur so als hätten sie Ecken und Kanten“
Was fehlt den meisten Politikern?
Franziska Dannecker:
Sie haben kaum Privatsphäre und
stehen unter unentwegter Beobachtung. Alles was sie tun
und sagen wird ausgewertet und beurteilt. Ich denke, dass
ein gesunder Geist einen solchen Lebensalltag gar nicht
aushalten kann, ohne persönlich Schaden daran zu neh-
men. Die Persönlichkeit kann sich nicht richtig weiterent-
wickeln, denn wer überleben will, muss etwas „Eigenes“
zurückhalten.
Welche Folgen hat das?
Dannecker:
Meist mündet es in ein Leben voll Überauto-
nomie und Distanziertheit. Nähe – wenn man es so nen-
nen mag – erlebt derjenige nur noch über Parteitage und
Kundgebungen. Echte Nähe und Begegnung wird kaum
noch zugelassen. Das führt nicht selten zu übertriebener
Härte und nicht zuletzt zu unüberwindbarem Starrsinn. Und
genau unter dieser regiden Form beenden dann viele Politi-
ker ihre Karriere – unglücklich.
Drei Fragen an ...
Die Münchener Expertin für Politik- und Business-Coaching, Franziska
Dannecker-Scharf, empfiehlt gerade Politikern, ihre Persönlichkeit kontinuierlich
weiterzuentwickeln. Hinter der „Rolle“ müsse der Mensch zu erkennen sein.
Was sollte ein Politiker nach Ihrer Einschätzung in
Zukunft besonders beachten?
Dannecker:
Sein größtes Problem wird zukünftig sein,
dass die Wähler kein Vertrauen mehr haben. Sie nehmen
Politiker nicht mehr richtig in ihrer Führungsrolle wahr. Und
warum ist das so? Weil sie den Menschen hinter der Fas-
sade nicht mehr erkennen können!
Das war früher anders. Die Persönlichkeiten hatten sicht-
bare Ecken und Kanten. Man konnte sich daran reiben,
aber auch sicher fühlen. Heutzutage wird nur noch so getan
als hätte man Ecken und Kanten. Und die passen sich dann
gelegentlich den Gegebenheiten an. Das wirkt auf Wähler
unbewusst verwirrend und hinterlässt Spuren. Der Politiker
der Zukunft muss sich selbst in jeder Situation gut kennen
und darin auch annehmen. Erst dann wird er spür- und les-
bar für andere Menschen. Das wird zukünftig den entschei-
denden Unterschied machen und über langfristigen Erfolg
entscheiden.
Interview: Martin Pichler
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