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wirtschaft + weiterbildung
09_2018
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cken und vor Beginn der K.o.-Runde die
Heimreise antreten.
Die aufgeregte Suche nach
dem Schuldigen
Deshalb war beim Schlusspfiff gegen
Südkorea schon klar: Nun beginnt eine
aufgeregte Suche nach den Schuldigen.
Und endlos wird in der deutschen Me-
dienlandschaft und hier insbesondere in
den sozialen Medien darüber debattiert
werden: Was sind die Ursachen dieser
historischen Schmach? Und im Zentrum
der Diskussion werden selbstverständ-
lich der Bundestrainer Jogi Löw und der
Teammanager Oliver Bierhoff stehen,
denn sie waren für die Kaderzusammen-
stellung, die Mannschaftsaufstellung und
die Spieltaktik verantwortlich. Was waren
die Fehler vor und während der WM?
Offen gesagt: Ich weiß es nicht – denn ich
bin nur ein Fußball-Fan und außenste-
hender Beobachter. Und wie bei so vielen
Dingen im Leben gilt auch bezogen auf
die Weltmeisterschaft: Im Nachhinein ist
jeder schlauer.
Trotzdem kann auch der misslungene
Auftritt der deutschen Mannschaft in
Russland als „Casestudy“ dafür dienen,
worauf Unternehmen achten sollten,
wenn sie möchten, dass sie beziehungs-
weise ihre Teams erfolgreich sind und
bleiben, und welche Fallen es dabei zu
umschiffen gilt.
Falle 1:
Der Erfolg der Vergangenheit
Wie bereits geschrieben: Die deutsche
Mannschaft reiste als amtierender Welt-
meister nach Russland. Entsprechend
groß war offensichtlich nicht nur in ihrem
Umfeld, sondern auch in ihr selbst die
Zuversicht: Irgendwie werden wir das
Kind schon schaukeln. Dass die Mann-
schaft Gruppenerster wird und mindes-
tens das Viertelfinale erreicht, daran
zweifelte eigentlich niemand – zumal
diese sich erstmals in ihrer Geschichte
mit einer blütenweißen Weste, also zehn
Siegen, für die WM qualifiziert hatte.
Dass sie danach unter anderem in den
Vorbereitungsspielen unmittelbar vor der
WM gegen Österreich und Saudi-Arabien
ein eher schlechtes Bild abgab, war für
niemand ein Alarmsignal.
Schließlich gab es hierfür solche Ausre-
den wie „Die Spieler sind müde von der
anstrengenden Saison“. Zudem herrschte
allgemein der Glaube: „Wir sind eine
Turniermannschaft; deshalb werden wir
uns, wenn es darauf ankommt, schon
steigern.“ Ähnliche Prozesse beobach-
tet man oft auch in Unternehmen bezie-
hungsweise Teams in Unternehmen, die
in der Vergangenheit sehr erfolgreich
waren. Sie sind felsenfest davon über-
zeugt: „Auch künftig werden wir Erfolg
haben – denn wir haben unser Können
sowie unsere Leistungsfähigkeit und -be-
reitschaft schon oft bewiesen.“ Und bleibt
die Performance ganz unverhofft hinter
den Erwartungen zurück? Dann gibt es
viele Ausreden: „Der Markt war ungüns-
tig“, „die Rahmenbedingungen stimmten
nicht“, „wir waren in einem motivationa-
len Tief.“ Auf alle Fälle werden die ers-
ten Alarmsignale „Irgendetwas stimmt
scheinbar nicht mehr“ nicht als Anlass
genutzt, das bisherige Vorgehen zu hin-
terfragen.
Wach werden die Betroffenen und Ver-
antwortlichen erst bei einer krachenden
Niederlage: Zum Beispiel, wenn zwei,
drei Schlüsselkunden zur Konkurrenz
wechseln. Oder wenn ein neues Produkt
nicht die Zulassung erhält. Oder wenn ...
Dann fragen sich alle überrascht: „Wie
konnte das geschehen, wir waren doch so
gut unterwegs?“ Dabei wiesen im Vorfeld
bereits viele Faktoren darauf hin: Es muss
sich etwas ändern, sonst ist ein Scheitern
vorprogrammiert.
Falle 2:
Grabenkämpfe Alt gegen Jung
Die deutsche Mannschaft gewann nicht
nur die Weltmeisterschaft 2014 in Brasi-
lien; sie gewann drei Jahre später 2017
auch den FIFA-Konföderationen-Pokal,
kurz Confed Cup genannt, in Russland
– mit jungen Spielern wie Julian Draxler,
der als bester Spieler des Turniers ausge-
zeichnet wurde, sowie Timo Werner und
Leon Goretzka, die die Torschützenkönige
in dem Turnier waren. All diese jungen
Spieler gehörten bei der WM 2014 noch
nicht zum Kader. Bei der WM 2018 waren
sie zwar dabei, kamen aber außer Timo
Werner über die Rolle als Ersatz- und Er-
gänzungsspieler nicht hinaus.
Und Leroy Sané, der zuvor in der engli-
schen Premier-League als bester Nach-
wuchsspieler der Saison 2017/2018 aus-
gezeichnet worden war? Den nahm Jogi
Löw erst gar nicht mit nach Russland.
Stattdessen setzte er weitgehend auf die
alten Haudegen der WM in Brasilien wie
Mats Hummels, Jerome Boateng, Samy
Khedira und Mesut Özil. Und dem Nati-
onaltorhüter Manuel Neuer? Dem gab er
vor der WM in Russland sozusagen eine
Einsatz-Garantie, obwohl er monatelang
verletzt war und keine Spielpraxis hatte.
Die beiden jüngeren Torhüter Marc-An-
dré ter Stegen und Kevin Trapp hingegen,
die zuvor monatelang ihre gute Form in
ihren Vereinen bewiesen hatten, schauten
in die Röhre. Das sorgte, wenn man den