titelthema
20
wirtschaft + weiterbildung
09_2018
04.
... ein
individuelles Ziel
wählen,
das eigene Lernfortschritte
garantiert
05.
... offen und neugierig
neue
Möglichkeiten und Wachstums-
chancen entdecken
06.
... einen kleinen Schritt
zu tun
ist besser, als überhaupt nichts
zu tun
R
türlich alleine verantwortlich dafür, wie
er sein Problem löst. Von den Kollegen
erhält er nur Vorschläge.
Nele Graf, Denise Gramß und Frank
Edelkraut ordnen in ihrem Buch „Agiles
Lernen“ (Haufe 2017) WOL den agilen
Lernformaten zu. Dabei betonen sie eine
gewisse Verwandtschaft zu Formaten
wie „Barcamp“ und „Open Space“, bei
denen es ebenfalls darum geht, dass eine
begrenzte Anzahl von Menschen sich
begegnet, um Wissen untereinander zu
teilen.
Schwierige Definition
Für Wikipedia ist WOL eine „Selbstlern-
Methode“: Fünf Menschen treffen sich im
Abstand von einer Woche zwölf Mal für
je eine Stunde, um zu erlernen, wie man
erfolgreich an seinem Netzwerk arbeitet.
Jeder Stunde steht unter einem vorge-
gebenen Thema. Wie es bearbeitet wer-
den muss, steht in schriftlichen Anwei-
sungen (Circle Guides), die Fragebögen
zur Selbstreflexion sowie Anleitungen zu
Diskussionsrunden und Rollenspielen be-
inhalten. Für die Zeit zwischen den Tref-
fen gibt es Hausaufgaben und Tipps zum
Selbststudium.
Jeder Circle arbeitet selbstorganisiert: Zu-
sammensetzung (möglichst unterschied-
liche Menschen), Terminfindung, Lernen,
Zielkontrolle finden grundsätzlich ohne
eine Begleitung durch einen Coach statt.
Im Businesskontext hat es sich allerdings
bewährt, dass zu Beginn, in der Mitte
und am Ende eines Circles ein Coach an-
wesend ist, um Fragen zu beantworten.
Trotz einer gelegentlichen Unterstützung
durch Coachs baut WOL alleine auf die
intrinsische Motivation der Teilnehmer.
Es bleibt den Teilnehmern auch selbst
überlassen, ob sie sich persönlich oder
virtuell treffen und in welchem Umfang
sie soziale Medien zum Üben nutzen.
Die Circle Guides wurden von John Step-
per entwickelt, einem gelernten Informa-
tiker, der bis 2016 Managing Director in
der Niederlassung der Deutschen Bank
in New York war. Stepper veröffentlichte
im Jahr 2015 unter dem Titel „Working
Out Loud: For a better career and life“
ein Buch, das der bis dahin unbekannten
WOL-Methode zum Durchbruch verhalf.
Stepper war „Opfer“ einer Restruktu-
rierung und musste sich ohne Unter-
stützung an seinem neuen Arbeitsplatz
zurechtfinden. Dabei lernte er das Netz-
werken von der Pike auf: Zuerst musste
er großzügig anderen helfen, bevor ihm
geholfen wurde. Was passiert genau in
den WOL-Circles? Die Themen der zwölf
Circle Guides lauten (von der Redaktion
stark gekürzt):
1 Aufmerksamkeit schärfen
In der ersten Woche wählt jeder sein in-
dividuelles Ziel. Es sollte ein Ziel sein,
das man nur durch die Hilfe von ande-
ren erreicht, weil man anhand des Ziels
schließlich das Netzwerken erlernen soll.
Ziele heißen „will mehr erfahren über
etwas, was mir wichtig ist (zum Beispiel
die Digitalisierung)” oder „will berufliche
Möglichkeit in anderem Bereich erkun-
den“. Die gefundenen Ziele werden in
der Gruppe diskutiert und dann wird eine
„Beziehungsliste“ erstellt (Menschen, die
mit dem Ziel zusammenhängen).
Personalentwickler kritisieren gelegent-
lich, dass die WOL-Ziele nichts mit den
Unternehmenszielen zu tun haben. Doch
das ist ein Missverständnis: In manchen
Projektmanagementseminaren müssen
Wer älteren Führungskräften erklären
muss, was „Working Out Loud“ (WOL)
ist, der könnte Zuflucht suchen in der
Aussage, das sei so etwas wie die frü-
heren Dale-Carnegie-Kurse. Noch bis in
die 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts
hinein bewarben lokale Franchiseneh-
mer des US-Trainingsanbieters Dale Car-
negie öffentliche Rhetorikkurse in ihren
Lokalzeitungen und wenn sich 20 bis 30
Interessierte gemeldet hatten, fand an 12
Abenden, verteilt über drei Monate, eine
für damalige Verhältnisse didaktisch sehr
moderne Erwachsenenbildung statt. In
der ersten Hälfte des Abends wurde den
Teilnehmern Schritt für Schritt beige-
bracht, vor einer großen Gruppe eine freie
Rede zu halten. Im zweiten Teil ging es
darum, spielerisch die Lebensweisheiten
von Dale Carnegie zu verinnerlichen.
Viele hörten zum Beispiel zum ersten Mal
davon, wie man anderen Menschen Feed-
back gibt („Sandwichregel“), übten das
in Rollenspielen, praktizierten es dann im
Alltag, berichteten beim nächsten Treffen
von ihren Versuchen und wurden mit Ap-
plaus belohnt.
Wer jüngeren Führungskräften erklären
muss, was „Working Out Loud“ (WOL)
ist, könnte sagen, es sei so etwas wie die
„Kollegiale Beratung“, die in modernen
Unternehmen praktiziert wird, damit die
Mitarbeiter Erfahrungen austauschen
und voneinander lernen können. In der
Regel treffen sich dazu fünf bis zehn
Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abtei-
lungen, um wechselseitig Lösungen für
berufliche Probleme zu erarbeiten. Man
trifft sich freiwillig und ohne Begleitung
durch einen Trainer oder Berater. Damit
das Ganze nicht zum beliebigen Kaffee-
klatsch wird, gibt es bestimmte Spielre-
geln. Der jeweilige „Fallgeber“ bleibt na-