Wirtschaft- und Weiterbildung 9/2018 - page 12

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wirtschaft + weiterbildung
09_2018
Carolin Desirée Töpfer
Meine Vermutung zu Beginn meiner Arbeit als Unter-
nehmensberaterin war, dass die Digitalisierung ein
Generationenproblem sei: Junge Mitarbeiter hätten
wohl eine höhere Affinität zu digitalen Themen
und Anwendungen, während ältere Arbeitnehmer
wesentlich schwieriger Zugang zu dieser neuen Welt
fänden. Doch ich wurde eines Besseren belehrt!
Nachdem ich anfing, Menschen nach ihren Inte-
ressen und Weiterbildungswünschen zu befragen,
wurde klar, dass nur vordergründig ein Generati-
onenkonflikt vorliegt. Tatsächlich habe ich viele
Menschen im Alter von 50+ oder kurz vor der Rente
getroffen, die gerne noch einmal den Umgang mit
Big Data oder die Grundlagen der Programmierung
lernen wollten.
Häufig wurden sie dabei von ihren Arbeitgebern
aber überhaupt nicht unterstützt. Die digitale
Transformation stellt uns als Gesellschaft also eher
weniger vor ein Generationenproblem als vielmehr
vor ein Aus- und Weiterbildungsproblem. Aber wer
ist dafür zuständig, dass jeder Mensch in unserem
Land mit dem digitalen Wandel Schritt halten
kann und so seinen Arbeitsplatz und damit seinen
Lebensunterhalt langfristig sichert?
Hier sehe ich ganz klar Unternehmen in der Pflicht.
Zwar brauchen wir auch dringend eine Reform des
Bildungssystems, angestoßen und finanziert durch
Bund und Länder. Doch im besten Fall erreichen
Schulen und Universitäten Menschen bis etwa zum
30. Lebensjahr. Danach liegen noch weitere 35 bis
40 Arbeitsjahre. Und hier müssen Unternehmen
Verantwortung übernehmen und ihren Mitarbeitern
sowohl Budgets als auch Zeit für eine kontinuier-
liche Weiterbildung bereitstellen. Und zwar nicht nur
der Führungsebene, sondern allen!
Arbeitnehmer aller Generationen und mit den
unterschiedlichsten Jobprofilen müssen die Mög-
lichkeit erhalten, sich die digitale Zukunft selber zu
erschließen und kritische Fragen zu stellen. Das
kann im Rahmen von klassischen Weiterbildungs-
maßnahmen, Aufbaustudiengängen und Workshops
passieren – aber auch durch unkonventio-
nelle persönliche Projekte und Mentoring-
Programme. Wo Freiraum für neue Gedan-
ken ist, entstehen die besten Ideen.
Natürlich laufen Unternehmen dabei
Gefahr, dass Mitarbeiter das Selbstbe-
wusstsein entwickeln, um sich auf einen Job bei der
Konkurrenz zu bewerben oder in die Selbstständig-
keit zu starten. Dies lässt sich aber nicht dadurch
verhindern, dass der Zugang zur Weiterbildung
verwehrt oder erschwert wird. Hier hilft nur, dass
sich Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv aufstel-
len. Mit dem bestehenden Personal sollte genauso
umgegangen werden wie mit dringend gesuchten
Fachkräften.
Was auf den ersten Blick nach einem teuren Corpo-
rate-Social-Responsibility-Projekt klingt, ist der ein-
zige Weg, um dauerhaft eine ausreichende Anzahl
an motivierten und leistungsfähigen Arbeitskräften
zur Verfügung zu haben und gleichzeitig Innova-
tionen aus dem inneren Kern des Unternehmens
heraus voranzutreiben.
Überlegen Sie einmal, wie lange die letzte Weiterbil-
dung ihres dienstältesten Mitarbeiters her ist und
was das für ihr Team oder ihr Unternehmen bedeu-
tet. Fühlen Sie sich fit für die digitale Zukunft? Wie
steht ihr Arbeitgeber zum Thema „Lebenslanges
Lernen“? Teilen Sie ihre Erfahrungen mit uns – zum
Beispiel via Linkedin.com/in/cdtdigital
Gastkommentar
Digitalisierung –
ein Problem der
Personaler
Carolin Desirée Töpfer ist unabhängige Strategieberaterin und unterstützt vor allem mittelständische Unternehmen bei der digitalen Transformation. Als Expertin
für Datennutzung und Community Building, Datenschutzbeauftragte und IT-Sicherheits-Expertin bietet sie ihren Kunden eine solide Brücke in die digitale Welt.
Auf ihrem Blog „Digitalisierung-jetzt.de“ und in ihren Workshops und Vorträgen beleuchtet Töpfer die technischen und die sozialen Aspekte der Digitalisierung.
Arbeitnehmer aller Generationen
müssen die Möglichkeit erhalten, sich
die digitale Zukunft zu erschließen.
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