Wirtschaft- und Weiterbildung 9/2018 - page 16

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
09_2018
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haben Topführungskräfte eine Vorbildfunktion. Wenn sie in den
sozialen Medien auftreten, zeigen sie Offenheit für digitale Kom-
munikation, sie machen sich aber auch nahbar und das gibt
Transformationsprozessen in Richtung moderner Arbeitskultur
und Digitalisierung eine Glaubwürdigkeit. Ein authentisches
Handeln an der Spitze ist schon seit jeher entscheidend für au-
thentische Führung und eine Vertrauenskultur in Unternehmen.
Mit sozialen Medien strahlt dieses persönliche Handeln viel flä-
chendeckender und deutlich über die Unternehmensgrenzen
hinaus aus. Es färbt damit auf das Arbeitgeberimage wie auch
auf die Produkte des Unternehmens ab. Daher ist ein proaktiver
und fortschrittlicher Umgang mit sozialen Medien auch und be-
sonders bei Topführungskräften positiv. Dies gilt
allerdings nur, wenn die Personen authentisch
auftreten und wenn die Aktivitäten professionell
gemacht werden.
Von den HR-Vorständen der 100 größten
Unternehmen sind nur eine Handvoll Manager
in den sozialen Medien aktiv. Sind das nicht zu
wenige?
Bruch:
Ja, das sind eindeutig zu wenige. Die digitale Transfor-
mation bietet HR-Managern die Chance, die Veränderungspro-
zesse zu treiben und sich als Akteur im Change von Kultur,
Zusammenarbeit und eben auch Kommunikation sichtbar zu
machen. Die HR-Verantwortlichen müssen sich verstärkt damit
auseinandersetzen, wie sie die sozialen Medien für Verände-
rungsprozesse einsetzen und wie sie sich selber als Personen
als Vorbild einbringen, innerhalb wie auch außerhalb des eige-
nen Unternehmens.
Manche scheuen davor mit dem Argument zurück, dass die
Nutzung der sozialen Medien ein reines Ego-Marketing sei,
das die Distanz zu den Mitarbeitern unter Umständen
nochmals erhöhe?
Bruch:
Dieser Einwand ist dann berechtigt, wenn man soziale
Medien vorrangig nutzt, um sich selbst darzustellen und ein-
seitig Botschaften zu senden. Doch dieses Führungsmodell ist
überholt. Leadership heißt heute, seine Mitarbeiter über Inspi-
ration und Sinnvermittlung zu führen, in den Dialog zu gehen
und Rückschläge oder Fehler zuzulassen. Die Kommunikation
über die sozialen Medien kann helfen, ein solches Führungsver-
ständnis vorzuleben.
Ist der Einsatz von Influencer-Methoden eine Spielart der
transformationalen Führung?
Bruch:
Kern von Transformational Leadership ist eine Führung
über Inspiration, Vorbild und Vision. Teile hiervon können über
Influencer vermittelt werden. Sie haben oft eine sehr emotio-
nale Wirkung. Ich würde das aber nicht gleichsetzen, weil die
Rede vom „Einsatz von Influencer-Methoden“ nahelegt, dass
hier Marketingzwecke verfolgt werden sollen, was oft mit Be-
dürfnissteuerung und Manipulation zu tun hat. Dieser Gedanke
ist dem transformationalen Führungsmodell fremd.
Influencer und soziale Medien haben für Führungskräfte
etwas durchaus sehr Bedrohliches. Die Prozesse werden
unkontrollierbar und die Hierarchie verliert an Macht und
Einfluss ...
Bruch:
Eine Verunsicherung beobachte ich in Unternehmen be-
sonders bei den Führungskräften, die nicht als Akteur dabei
sind. Doch soziale Medien werden noch weiter an Bedeutung
gewinnen und nicht nur das Private, sondern das Arbeiten in
Unternehmen und das Business in Zukunft noch verstärkt prä-
gen. Vor allem jüngere Mitarbeitende erwarten heute schon zu-
nehmend eine aktive Nutzung sozialer Medien. Führungskräfte
sollten diesen Kommunikations- und Leadership-Weg nicht aus-
blenden und einen Weg finden, auf authentische Weise damit
zu arbeiten.
Sie nutzen selbst seit einiger Zeit verstärkt soziale Medien.
Was ist Ihre Motivation?
Bruch:
Für einige Themen, die mir am Herzen liegen, sind klas-
sische Publikationswege manchmal zu langsam. Über die so-
zialen Medien kann man neue Forschungserkenntnisse oder
Leadership-Erfahrungen schneller kommunizieren und auch
mit neuen Personengruppen im Dialog sein. Und fast das Wich-
tigste ist für mich, dass ich neue Themen auch sehr persönlich
sichtbar machen kann.
Interview: Reiner Straub
„Wenn Manager in den sozialen Medien auftre-
ten, zeigen sie damit ihre Offenheit für digitale
Kommunikation. Sie machen sich nahbar und
das gibt ihnen eine große Glaubwürdigkeit.“
Heike Bruch.
Die Wissenschaft­
lerin ist sich sicher: „Junge
Angestellte erwarten von ihren
Chefs künftig eine aktive Nut­
zung von sozialen Medien“.
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