wirtschaft + weiterbildung
09_2018
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HARVARD-STUDIE ZU GROSSRAUMBÜROS
Räumliche Nähe wird überschätzt
Offene Großraumbüros sollen
die Kommunikation fördern.
Doch eine Studie der Harvard
University zeigt nun: Entgegen
der weitverbreiteten Annahme
führen Großraumbüros nicht
zu mehr, sondern sogar zu
deutlich weniger direkter Kom
munikation.
Die US-Wissenschaftler Ethan
Bernstein und Stephen Tur
ban untersuchten, wie der
räumliche Wechsel zum Groß
raumbüro die menschliche
Interaktion verändert. Sie
überwachten die Mitarbeiter
15 Tage lang vor dem Wechsel
ins Großraumbüro und 15 Tage
danach. Das Ergebnis: In den
Unternehmen reduzierten sich
Chefs versagen bei individueller
Förderung ihrer Mitarbeiter
FORSA-STUDIE „FÜHRUNGSBAROMETER“
Durchschnittlich nur eine Stunde pro Woche
(bei 40 Stunden Arbeitszeit) verbringt ein
Manager der mittleren Ebene mit individueller
Entwicklung und Konfliktmanagement aller
seiner Mitarbeiter. „Deutsche Mittelmanager
versuchen sich bis heute immer noch darin,
bessere Fachexperten und Problemlöser zu
sein als ihre Mitarbeiter“, sagt Stephan Pen
ning, Geschäftsführer von Penning Consulting,
dem Auftraggeber der Untersuchung „Füh
rungsbarometer“ des Meinungsforschungsin
stituts Forsa.
Das Mittelmanagement hat laut Forsa in einem
durchschnittlichen Unternehmen folgende
Aufgaben: Koordination der Arbeit (24 Pro
zent), gefolgt von Meetings (18 Prozent), Ziel
management (18 Prozent) und Personalpla
nung (14 Prozent). Für individuelles Coaching
sowie Konfliktmanagement bleiben jeweils 13
Prozent der Führungszeit. Hochgerechnet auf
eine 40-Stunden-Woche bedeutet das: Eine
Führungskraft verbringt gerade einmal eine
einzige Stunde in der Woche mit der individu
ellen Führung ihrer Mitarbeiter.
die direkten Gespräche mit dem
Wechsel ins Großraumbüro um
rund 70 Prozent. Parallel dazu
nahm die Kommunikation
über elektronische Kanäle wie
E-Mails und Messenger-Dienste
um 20 bis 50 Prozent zu.
Das Fazit der Forscher lautet
dementsprechend: Der positive
Einfluss von räumlicher Nähe
wird überschätzt. Wenn Rück
zugsräume fehlen, entwickeln
Angestellte andere Strategien,
um sich Privatheit zu verschaf
fen, schreiben Bernstein und
Turban. Statt die Kommuni
kation zu verbessern, wirkten
Großraumbüros eher übersti
mulierend und lösten dadurch
eine Art Abwehrreflex aus.