Wirtschaft und Weiterbildung 3/2018 - page 35

komplexen Systemen noch einen viel hö-
heren Stellenwert einnehmen. Das Kom-
petenzbild wird sich verschieben. Digitale
Kompetenzen kommen hinzu und klas-
sische Kompetenzen einer Führungskraft
wie Kommunikations- und Konfliktstärke
brauchen möglicherweise neue Hand-
lungsmuster.
Hartmut Jöhnk:
Andererseits sehe ich
schon junge Menschen, die in Projekten
beherzt nach einer Führungsrolle greifen.
Sie haben Lust auf Verantwortung und
wollen etwas voranbringen. Aber ich be-
obachte auch, dass man heutzutage auch
nur auf Zeit Verantwortung übernimmt.
Führen auf Zeit heißt, dass man vielleicht
nach einem halben Jahr wieder zurück in
die Rolle eines einfachen Projektmitarbei-
ters geht. Mit solchen Mitarbeitern muss
ein Arbeitgeber regelmäßig intensive
Gespräche führen. Und das heißt, dass
das klassische Mitarbeitergespräch noch
lange nicht überholt ist und mehr denn
je trainiert werden sollte. Vor zwei Jahren
haben wir zum ersten Mal IT-Leiter zu Sc-
rum-Mastern geschult. Die Mehrzahl der
Teilnehmer ging am Ende der Veranstal-
tung auf den Trainer zu und sagte, dass
sie jetzt zum ersten Mal das Gefühl hätte,
dass ihr wichtige Soft Skills wie zum Bei-
spiel das Feedbackgeben fehlen würden.
Ich fand das eine spannende Sache: Die
Menschen hatten aus sich heraus verstan-
den, dass Scrum keine Technik, sondern
eine Haltung ist. Im übertragenen Sinn gilt
das auch für Führungskräfte: Leadership
ist keine Technik, sondern eine Haltung,
die man sich erarbeiten muss.
5 Wie sieht künftig das
„offene Seminar“ aus?
Hartmut Jöhnk:
Ein offenes Seminar sollte
weiterhin in Form eines Präsenzseminars
stattfinden, aber die ganze Wissensver-
mittlung sollte vorher in ein WBT oder in
eine Online-Selbstlernphase ausgelagert
werden. Während des Seminars wäre der
Trainer dann eher Coach, der viel indivi-
dueller auf die Fragen und Herausforde-
rungen der Teilnehmer eingehen könnte.
Marion Schopen:
Offene Seminare sollten
ein Forum bleiben, wo sich Menschen
aus unterschiedlichsten Branchen und
Hierarchiestufen austauschen können,
Impulse aufnehmen und sich außerhalb
des Kollegenkreises ausprobieren kön-
nen. Vernetzung und Austausch ist etwas
sehr Zukunftsträchtiges. Wenn wir dazu
die offenen Seminare von der reinen Wis-
sensvermittlung durch Online-Tools ent-
lasten und stärker die Interaktivität in den
Mittelpunkt stellen, ist das für mich ein
guter Weg.
Lucia Sauer Al-Subaey:
Im offenen Prä-
senzseminar finden die Teilnehmer Raum
und Zeit, um über Wissen, das vielleicht
online gelernt oder sich durch Erfah-
rungslernen angeeignet wurde, zu re-
flektieren, mit Peers zu besprechen und
sich für die eine oder andere Herausfor-
derung kollegial beraten zu lassen. Auch
für Konfliktthemen, welche in der Firma
nicht besprochen werden können, kann
ein offenes Präsenzseminar den richtigen
Rahmen bieten. Weiterhin oder gerade in
der digitalen Welt wird das Lernen durch
Begegnung seine Wichtigkeit behalten.
Dr. Philipp von Randow:
Das offene Semi-
nar ist nicht nur der Raum, in dem beruf-
liche Problemstellungen und Erfahrungen
vertrauensvoll unter Peers ausgetauscht
werden können, sondern bietet auch die
Möglichkeit, „von außen“ auf sich und
das Unternehmen zu schauen. In Koope-
ration mit den entsendenden Unterneh-
men sollten wir uns aber noch mehr um
die Nachhaltigkeit des Lerntransfers und
dessen Nachweis kümmern.
Protokoll: Martin Pichler
„In der digitalen Welt wird das Lernen durch
Begegnung seine Wichtigkeit behalten.“
Lucia Sauer
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