Wirtschaft und Weiterbildung 3/2018 - page 45

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wirtschaft + weiterbildung
03_2018
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Zusammenarbeit mit den anderen Be-
reichen funktioniert. Dies ist in der von
Vernetzung geprägten Arbeitswelt, in
der immer mehr Verantwortung auf die
operative Ebene verlagert wird und in der
(bereichsübergreifende) Teamarbeit zu-
nehmend den Alltag dominiert eine Kern-
aufgabe von Führung.
Nur selten erhalten Führungskräfte im
Alltag jedoch eine klare und nachvoll-
ziehbare Rückmeldung, inwieweit sie
diese Aufgaben adäquat wahrnehmen.
Entsprechend schwer fällt es ihnen, so-
fern nötig, ihr Verhalten gezielt zu ver-
ändern. Dieses Manko soll mit dem
360-Grad-Feedback behoben werden.
Welche Entwicklung ist
eigentlich anzustoßen?
Dabei gilt es jedoch festzuhalten: Das
360-Grad-Feedback ist nur ein Instru-
ment, um personale und/oder orga-
nisationale Entwicklungsprozesse zu
flankieren. Deshalb wird es von den Un-
ternehmen in der Regel anlassbezogen
eingesetzt. Mit seinem Einsatz sind kon-
krete Entwicklungsziele verbunden. Hier-
für ein Beispiel. Vor einigen Jahren er-
kannte ein Elektronikunternehmen: Wir
müssen uns von einem Produkteanbieter
zu einem System- beziehungsweise Prob-
lemlösungsanbieter entwickeln, und hier-
für muss sich neben der Struktur unseres
Unternehmens auch dessen (Führungs-)
Kultur ändern.
Also startete das weltweit agierende Un-
ternehmen ein „Fit for Future“ (3F), ge-
nanntes Personal- und Organisationsent-
wicklungsprogramm. Mit ihm sollten in
dem Unternehmen unter anderem flexi-
blere Organisationsstrukturen geschaffen
werden. Außerdem sollte die (bereichs-
und standortübergreifende) Zusammen-
arbeit verbessert werden. Dabei war den
Verantwortlichen klar: Inwieweit wir
diese Ziele erreichen, hängt vor allem
davon ab, wie stark die Führungskräfte
den Wandel promoten und wie sie ihre
Mitarbeiter führen. Deshalb entwickelte
das Unternehmen auch neue Führungs-
leitlinien. Durch den mit dem Entwickeln
der neuen Leitlinien verbundenen Dis-
kussionsprozess veränderte sich bereits
das Selbstverständnis der Führungskräfte.
Das bedeutete jedoch noch keineswegs,
dass fortan alle das gewünschte Füh-
rungsverhalten zeigten.
Deshalb gelangte die Unternehmenslei-
tung zur Erkenntnis: Wir brauchen ein
Instrument, das unseren Führungskräften
eine dokumentierte Rückmeldung über
ihr Verhalten gibt. Also wurde ein regel-
mäßiges Management-Audit auf Basis
eines 360-Grad-Feedbacks eingeführt. Bei
diesen im Zwei-Jahres-Rhythmus statt-
findenden Audits erhalten die Führungs-
kräfte stets von mehreren Personengrup-
pen eine (schriftliche) Rückmeldung über
ihr (Führungs-)Verhalten – von ihren Mit-
arbeitern, Kollegen und Vorgesetzten.
Kein Auswahl-, sondern ein
Entwicklungsinstrument
Der Elektronikkonzern nutzt das 360-Gra-
Feedback also als Personal-, Organisa-
tions- und Managemententwicklungsins-
trument – jedoch nicht als Beurteilungs-
instrument. Das heißt, die Ergebnisse
des 360-Grad-Feedbacks haben keine
Auswirkungen auf die Entlohnung und
Dr. Georg Kraus.
Feedback darf aus seiner
Sicht niemals Kontrollmaßnahme sein.
Foto: Die Change-Manager
Analyse.
Bevor ein Unternehmen das 360-Grad-Feedback
einführt, sollte es sich diese Fragen stellen:
Wofür kann das 360-Grad-Feedback eingesetzt werden?
· Entwickeln der Unternehmens-/Führungskultur
· Identifizieren von Kompetenz-/Verhaltensdefiziten und
Stärken auf bestimmten Führungsebenen
· Feedback für die einzelne Führungskraft
· Anstoßen und Begleiten von Veränderungsprozessen bei
einzelnen Führungskräften und bei Gruppen von Füh-
rungskräften
· Anstoßen des Dialogs über Führungsverhalten und hier-
archieübergreifende Zusammenarbeit in der Organisation
· Steuern und Evaluieren von Change-Projekten und -pro-
zessen auf der kulturellen Ebene.
Welche Voraussetzungen sollten gegeben sein?
· Klar definierte und operationalisierte Entwicklungsziele
auf der organisationalen Ebene
· Unterstützung vom Top-Management
· Bereitschaft, alle Beteiligten umfassend über das Vor-
haben und das Vorgehen zu informieren
· Bereitschaft, die zugesicherte Anonymität bedingungslos
zu gewährleisten; entsprechende Rahmen-bedingungen
· Freiwilligkeit der Teilnahme (zumindest auf der Ebene der
Feedbackgeber)
· Unternehmenskultur, die nicht von Angst geprägt ist
Dr. Georg Kraus
Fragen zum 360-Grad-Feedback
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