wirtschaft und weiterbildung 10/2017 - page 42

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
10_2017
emotionale und synaptische Durchrütte-
lung, sodass neue Nervenverbindungen,
neue Gedankenstränge entstehen kön-
nen.
Neben der Lebendigkeit und erfahrbarer
Multisensorik können Seminare, Mee-
tings und Trainings auch der Idee einer
größeren Inszenierung folgen. Der Inhalt
wird quasi in eine Geschichte (Storytel-
ling live und dreidimensional) eingebet-
tet. Er ist von Anfang bis Ende erlebbar
und wird durch den Rahmen der In-
szenierung gehalten und getragen. Die
Übung der „Marktplatz“ steht (als Bei-
spiel für viele Möglichkeiten) für diese
moderne Art des Lehrens und Lernens.
Der „Marktplatz“ läuft nach folgendem
Schema ab:
• Der Trainer stellt einen bestimmten
Inhalt multisensorisch und metaphern-
reich an einem „Marktstand“ vor. Alles
ist haptisch, anfassbar und bedeutsam.
• Im zweiten Schritt sind die Teilneh-
mer an der Reihe. Ihre Ergebnisse aus
Kleingruppen werden nun an diversen
Marktständen interaktiv aufbereitet.
Anmerkung: Der „Marktplatz“ kann ein
einfacher Wochenmarkt sein. Aber auch
historische Märkte oder orientalische Ba-
sare bieten einen inspirierenden Rahmen.
Eine Alternative ist die „Messe“: Das ge-
samte Thema wird als Messestand oder
Messehalle inszeniert. Das ähnelt dem
Marktplatz, da es in einer Messehalle di-
verse „Showrooms“ gibt.
Eine weitere Übung, um Trainingsinhalte
aufzubereiten, ist eine Übung, die „Insze-
nierung“ heißt. Die „Inszenierung“ kann
als Basis-Element eines Trainings betrach-
tet werden. Sie hat folgenden Ablauf:
• Das Thema wird festgelegt (hier: „Ge-
nerationenkonflikt am Arbeitsplatz“).
• Der Trainer zeigt als Auftakt eine
Szene. Er agiert selbst! Er sitzt als Füh-
rungskraft am Schreibtisch, blättert
enttäuscht und voller Reue den Stapel
an Bewerbungen durch, die eingetrof-
fen sind. Er spricht vor sich hin, wirkt
niedergeschlagen und traurig. Dann
spricht er lauter, bereut, dass er seine
beste Mitarbeiterin verloren hat. Sie
war sehr jung, sehr kompetent, lie-
ferte wertvolle Impulse. Aber sie war
es leid, von ihm zu hören, dass er sie
korrigierte, wenn sie Energydrinks
trank. Eine väterliche, fürsorgliche At-
titüde. Diese Szene geht unter die Haut,
macht betroffen und weckt starke Emo-
tionen. Die Zuhörer zeigen Interesse,
sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Solche hochwertigen Einstiege in ein
Thema gehören an den Anfang. Nach
spätestens 15 Minuten sollte mit solch
einer intensiven Intervention in das
Training eingestiegen werden. Alle im
Raum spüren bei solch einem Einstieg,
dass die Trainerin oder der Trainer sich
wirklich auskennen und dass sie etwas
wagen!
Neben aller Aktion braucht es auch Zei-
ten der Entspannung, denn die sind für
die wesentlichen Entwicklungsprozesse
im Hirn notwendig. Um die physiologi-
schen „Baustoffe“ zu transportieren und
zu verarbeiten, braucht es wie für jedes
andere Wachstum Zeit und Ruhe. Aber
auch diese Phasen können – zumindest
zum Teil – gemeinsam im Training erlebt
werden. Statt einer brachial anmutenden
Aktivierung nach dem (unschön so be-
nannten) „Suppenkoma“ kann auch eine
ruhige Runde auf dem Boden sitzend
oder liegend angesetzt werden.
An alte Rituale anknüpfen
Manchmal ist es angebracht (zum Bei-
spiel nach dem Mittag), die Methode
„Unter einer Yakdecke“ zu nutzen. Bei
ihr liegt der Trainer mit allen Teilnehmern
auf dem Boden und bespricht auf eine be-
stimmte Weise die vorigen Themen des
Tages. Während ein Teilnehmer vertrau-
ensvoll im Schutz der großen Runde in
ein kurzes Power-Napping verfällt, stellt
jemand anderes genau in dieser Atmo-
sphäre eine Frage, die während des Mit-
tagessens entstanden ist. Und darüber
hinaus kann man sicher sein, dass un-
bewusstes Lernen genau in dieser stille-
ren Phase stattfindet. Oder in der Mitte
des Seminarraums ist ein symbolisches
Lagerfeuer aus Holzscheiten aufgebaut.
Mit diesem Setting arbeiten Profis schon
lange und es überrascht nicht, dass es
eine starke Wirkung hat, denn wir Men-
schen sitzen seit Urzeiten um das La-
gerfeuer herum und reden miteinander.
Diese Feuerrunde knüpft an alte Rituale
an. Die Gespräche, die in beiden Settings
stattfinden, bleiben bei allen Beteiligten
in starker Erinnerung, weil sie mit einer
sehr emotionalen Situation verknüpft
werden. Und dem Einzelnen tut es gut, so
viel Nähe und Vertrauen zu erleben.
Fazit: Trainer werden in Zukunft Men-
schen sein, die einen Raum schaffen und
halten, in dem eine individuelle Entwick-
lung anderer Menschen möglich ist. Mit
ihrer Lebensreife prägen sie den Raum
und werden zum Modell für Lernende.
Barbara Messer
R
Präsentationsprofi.
Wie man ohne
Powerpoint
gehirngerechter
präsentieren kann,
zeigte Barbara
Messer mit „selbst-
gestrickten“ Tools.
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