wirtschaft und weiterbildung 10/2017 - page 36

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
10_2017
schlecht als recht – nach dem gewohnten
Schema F. Und wenn man sie zum Bei-
spiel als Führungskraft darauf anspricht,
warum sie sich in einer Situation so und
nicht anders verhalten haben? Dann er-
widern sie „Das hat mir keiner gesagt“
oder „Das haben wir doch schon immer
so gemacht“ statt kurz nachzudenken
und dann beispielsweise zu erwidern:
„Da hätte ich vermutlich anders reagieren
sollen. Ich lerne daraus.“
Doch warum reagieren die Menschen so
verschieden in ein und derselben Situa-
tion? Selbstverständlich gibt es unter-
schiedliche Persönlichkeiten und manche
Menschen scheinen zu träge zu sein, um
sich überhaupt aufzuraffen. Doch dies ist
eher die Ausnahme. Viel entscheidender
ist: Wir alle haben unterschiedliche Ta-
lente und Stärken.
Ein allgemein bekanntes Sprichwort
lautet: „Aus einem Ackergaul kann man
kein Rennpferd machen“. Ebenso gilt
umgekehrt: „Aus einem Rennpferd kann
man keinen Ackergaul machen.“ Ähnli-
ches gilt für Menschen. Auch sie haben
aufgrund ihrer persönlichen Disposition
verschiedene Talente und aufgrund ihrer
Sozialisation unterschiedliche Stärken.
Deshalb begeistern sie sich für unter-
„Unsere Mitarbeiter müssen mehr Eigen-
initiative entfalten und mehr Eigenver-
antwortung zeigen“, solche Aussagen
hört man immer häufiger aus den Chef-
etagen. Denn in vielen Unternehmen ist
der Veränderungsbedarf so groß, dass er
top-down weder erfasst noch befriedigt
werden kann – schon gar nicht in der er-
forderlichen kurzen Zeit. Also müssen die
Mitarbeiter auf der sogenannten operati-
ven Ebene aktiv werden. Das können sie
(zumindest theoretisch) auch, denn im
Betriebsalltag registrieren sie viel früher
als ihre Vorgesetzten auf den Top-Ebenen,
wenn Sand im Getriebe des Unterneh-
mens ist.
Doch wann ergreifen Mitarbeiter die Initi-
ative? Wann übernehmen sie bereitwillig
mehr Verantwortung? Selbstverständlich
müssen dafür zuerst die Rahmenbedin-
gungen gegeben sein. So sollte im Un-
ternehmen zum Beispiel eine Struktur
bestehen, die es den Mitarbeitern ermög-
licht, im Rahmen ihres Aufgabengebiets
eigenständig Entscheidungen zu treffen.
Außerdem sollte eine Kultur existieren, in
der Mitarbeiter, wenn sie bei ihrer Arbeit
begründet neue Wege gehen, nicht be-
fürchten müssen, bei einem Scheitern am
Pranger zu stehen. Im Betriebsalltag stellt
man immer wieder fest, dass sich Mitar-
beiter – selbst wenn die genannten Rah-
menbedingungen gegeben sind – beim
Wahrnehmen bestimmter Aufgaben völlig
unterschiedlich verhalten. Während man-
che Mitarbeiter die ihnen gewährten Ent-
scheidungs- und Gestaltungsspielräume
begeistert nutzen und zur Höchstform
auflaufen, dümpeln andere weiter so vor
sich hin und machen ihren „Job“ – mehr
Stärken-Management: Jedem
sein passendes Spielfeld
PERSONALENTWICKLUNG.
In vielen Unternehmen ist aufgrund der massiven
Veränderungen und der geringen Planbarkeit ein zentral gesteuertes Talentmanagement
heute kaum noch möglich. Stattdessen gelte es, die Mitarbeiter vor Ort beim Entdecken,
Entwickeln und gezielten Nutzen ihrer Stärken zu unterstützen, fordert der Autor dieses
Grundsatzartikels.
Sportmetapher.
Aus einem Fußballer kann man keinen Boxer machen. Jeder lebt unter-
schiedliche Stärken aus und braucht sein eigenes Spielfeld.
Foto: Eugene Onischenko / shutterstock.com
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