training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
10_2017
ner noch ein Poster von seinem Institut
aufgehängt, damit alle sogleich wissen,
wer hier der Experte ist.
Wer als Teilnehmender solch einen Ta-
gungsraum betritt, ahnt meistens schon,
was kommen wird: Eine langatmige Be-
grüßung und Vorstellung des Trainers,
dann die Erwartungsabfrage, die sich ge-
rade bei angeordneten Schulungen selbst
ad absurdum führt. Wer hat schon posi-
tive Erwartungen, wenn man „lieber bei
der Arbeit“ als im Training wäre. Und das
– dieser kleine Einschub sei erlaubt – oft
auch zu Recht! Denn so manches Trai-
ning ist überflüssig, die Inhalte wurden
schon mehrfach geschult, die Trainings
sind zu lang, zu theoretisch und entspre-
chen zu wenig einer modernen Didaktik.
Langeweile steht häufig auf der Tages-
ordnung – nur traut sich das niemand zu
sagen. Ist es zum Einschlafen bei all den
Folien, die vorne gezeigt werden, den Mo-
derationskarten, die angepinnt werden,
dann lädt der Trainer zu ein paar Spielen
ein. Diese passen jedoch oft nicht zum
Thema und beziehen sich nur im Glücks-
fall auf die Lernziele und Inhalte.
Digitalisierung hilft
Das sind sarkastische Worte, doch seien
wir einmal ehrlich: In der Digitalisierung
steckt eine gewaltigen Chance, dass Trai-
ner in Zukunft richtig spannende Trai-
nings anbieten. Die vielfältigen digitalen
Lern- und Lehrangebote können helfen,
überflüssige Trainingsinhalte einzuspa-
ren. Auch individuelle, kleine Wieder-
holungen und Auffrischungen können
online effektiver durchgeführt werden.
Der Trainer hat mehr Zeit, Seminare,
Trainings und Workshops in einer neuen
Güte und Effizienz durchzuführen. Weg-
lassen könnten Trainer:
•
Erwartungsabfragen und Vorstellungs-
runden.
Stattdessen sollten sie für ein
unmittelbares Miteinander-ins-Tun-
Kommen sorgen. Es geht um gemein-
same Aktionen, um eine kleine aktive
Runde. Meist reicht es, den Namen der
anderen zu kennen. Im gemeinsamen
Tun lernt man sich viel schneller und
besser kennen als in der Vorstellungs-
runde.
•
Naive Fragerunden.
Fragen wie „Wer
hat schon mal ...“ sollen den Wissens-
stand der Teilnehmer zutage fördern.
Er wird am Flipchart festgehalten und
dann am Ende vom Trainer mit seinem
Wissen ergänzt. Stattdessen gleich mit
einem spannenden „Mind Opener“
oder dem ersten Teil der Inhaltsprä-
sentation beginnen. Der Trainer muss
Bisher konnten sich viele Unterneh-
men und Organisationen 2- bis 3-tägige
Präsenztrainings leisten. Man hat sich
Zeit und Ruhe genommen, spektaku-
läre Tagungsorte ausgewählt, Klausuren
in Klöster und Teamtrainings in Hoch-
oder Niedrigseilgärten verlegt. Ein Blick
in „durchschnittliche Seminarräume“:
Der obligatorische Stuhlkreis, das rot-
flammende Willkommens-Herz auf dem
Flipchart, ein Beamer, der auf einem klei-
nen Sideboard inmitten des Stuhlkreises
steht, ein Moderatorenkoffer und andere
Utensilien stehen bereit. Oft hat der Trai-
SEMINARGESTALTUNG.
Was früher Science Fiction war,
ist längst Alltag geworden: Tablets und Smartphones
werden ins Seminar mitgebracht, die E-Learning-Branche
boomt, Lern-Apps und Webinare werden überall kosten-
los angeboten und Konzerne leisten sich ganze Blended-
Learning-Abteilungen. Wie sehen unter diesen Umständen
die Präsenztrainings der Zukunft aus?
Barbara Messer
ist seit mehr als 20
Jahren unterwegs
als Trainerin, Red-
nerin, Coach und
Schriftstellerin. In Sachen Seminar-
konzeption gilt sie als Visionärin, die
verblüffende, bodenständige Lösungs-
ansätze entwickelt – weit ab vomMain-
stream und meist in „anti-digitalen“
Settings. Im Februar 2016 erschien
im Beltz-Verlag ihr Buch „Inhalte merk-
würdig vermitteln: 56 Methoden, die
den Merkfaktor erhöhen“.
Barbara Messer
Gänsefußweg 17
30890 Barsinghausen
AUTORIN
Foto: Pichler
Die Zukunft der
Präsenztrainings