wirtschaft und weiterbildung 10/2017 - page 28

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
10_2017
Überblick: MBO oder OKR?
Faktor eins:
Prozesse
Der Prozess macht den Unterschied: Im agilen Umfeld sind
die Fristen kürzer, die Teams wollen mit Scrum anspruchs-
vollere Ziele erreichen. Zudem steht dort die Zielerreichung
aus Eigenantrieb im Vordergrund, die den Mitarbeitern eine
hohe Eigenmotivation und den Willen zum Erfolg abver-
langt.
Wer bereits in einem solchen Umfeld und unter Scrum
arbeitet, dem bietet sich OKR mit seinem hohen Anspruchs-
niveau und kurzen Zyklen an. Sollte die Kultur im Unterneh-
men oder die Rolle der Führung allerdings anders angelegt
sein, bietet es sich hingegen eher an, ein konsequent qua-
litätsgesichertes MBO-System anzuwenden und dieses um
eine radikale Transparenz im Zielfindungs- und -beurtei-
lungsprozess zu erweitern.
Faktor zwei:
Anspruchsniveau der Ziele
„Moonshots“ nennt man Ziele unter OKR. „Moonshot“
bedeutet wörtlich, den Mond als Ziel ins Visier zu nehmen.
Im übertragenen Sinne ist damit also ein sehr anspruchs-
volles Ziel gemeint, bei dem das Risiko zu scheitern sehr
hoch ist. „Roofshots“, wörtlich: „Dachziele“, sind hingegen
Ziele, die leichter erreicht werden können und bei denen
eine 100-prozentige Zielerreichung möglich ist, was der
Zieldefinition bei MBO ähnelt.
Wer mit Hochleistungsteams mit einem hohen Anspruchs-
niveau arbeitet, sollte OKR wählen. Da die „Kultur des
Scheiterns“ aber sicher in vielen deutschen Unternehmen
anders ausgeprägt ist als in angelsächsischen Unterneh-
men – wie zum Beispiel Google –, müssen Unternehmen
darauf achten, dass sie ihre Teams dabei nicht zu sehr
beanspruchen. Hinzu kommt: Auch wenn (Top-down-)Füh-
rung bei OKR durch das Feedback im Team eine geringere
Rolle spielt als bei MBO, ist dabei gute Führung essenziell.
Faktor drei:
Vergütung und Boni
Wenn in einem Bonussystem die Zielerreichung nach
MBO in die Bonusbemessung einfließt, empfiehlt es sich,
MBO anzuwenden und auf OKR zu verzichten. Das hohe
Anspruchsniveau in OKR und das Feedback im Team ste-
hen einem Vergütungsbezug eindeutig entgegen. Denn wer
möchte mit seinem Bonus für Moonshots „haften“? Selbst-
verständlich können in die Vergütungsbemessung zusätz-
lich zu den MBO- auch OKR-Ziele einfließen. Diese sollten
dann aber die langfristige Zielerreichung einbeziehen und
Entscheidungshilfen.
Nicht für alle Bereiche, Teams und Rollen eignet sich das Management by
Objectives and Key Results (OKR). Die Frage, ob statt OKR lieber das etablierte Management by
Objectives (MBO) genutzt werden sollte, hängt von den folgenden Faktoren ab.
sich daneben auf die Kompetenzen der Mitarbeiter bezie-
hen.
Faktor vier:
Zeitachse der Ziele
Schnelle, agile Teams benötigen einen Wochen- bis Drei-
Monatsbezug und keinen Jahresbezug der Ziele. Daneben
gibt es aber auch Stellen, Job-Familien und ganze Organi-
sationseinheiten, bei denen der Jahresbezug fast schon zu
eng gefasst sein kann.
Deshalb gilt es, im Detail zu prüfen, welche Zeitachse und
Organisationsform geeignet ist. Denn selbstverständlich ist
es möglich und auch sinnvoll, MBO und OKR in verschiede-
nen Organisationseinheiten nebeneinander zu realisieren.
Faktor fünf:
Stellenwertebene
Ziele – egal ob MBO oder OKR – bieten sich immer dort an,
wo Mitarbeiter über ein Mindestmaß an Entscheidungsfrei-
heit verfügen. Damit sind MBO und OKR für Spezialisten,
Projektmanager und Führungskräfte geeignet. Aufgrund
des operativen und agilen Bezugs eignet sich OKR besser
für Spezialisten (wie etwa in der IT unter Scrum), MBO eig-
net sich besser für die Verantwortlichen für (strategische)
Projekte und anspruchsvolle Führungsaufgaben, da dort
der Zielbezug langfristiger und damit weniger operativ ist.
Grundsätzlich sind Ziele – bei MBO wie bei OKR – gar nicht
sinnvoll, wenn die jeweilige Rolle wenig Dispositionsfreiheit
bietet.
Faktor sechs:
Kommunikation
Ziele sind gelebte Kommunikation und Ziel-Transparenz –
das haben MBO und OKR gemeinsam. „Geheimvereinba-
rungen“, wie sie in der Praxis leider manchmal getroffen
werden, sind bei MBO nicht zulässig und bei OKR aufgrund
der hohen Transparenz erst gar nicht möglich.
Faktor sieben:
Führung
Folgende Probleme treten bei vielen MBO-Prozessen auf:
Ziele sind nur ungenügend aus strategischen Oberzielen
abgeleitet; ihre strategische und operative Bedeutung ist
nicht klar; Aufgaben sind nicht gut von Zielen abgegrenzt.
Der Grund dafür liegt jedoch nicht im MBO-System selbst,
sondern in der Führungsarbeit. Die genannten Probleme
können also bei schlechter Führung in OKR ebenso auftre-
ten – auch, wenn bei OKR die Führungskräfte entlastet wer-
den, weil etwa die Feedbackrolle ins Team verlagert wird.
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