wirtschaft und weiterbildung 2/2017 - page 30

personal- und organisationsentwicklung
30
wirtschaft + weiterbildung
02_2017
unter anderem, indem sie ihre Mitarbeiter
nicht nur informieren, sondern auch mit
ihnen diskutieren. Des Weiteren, indem
sie sich von ihnen beraten oder die Mit­
arbeiter gemeinsam Lösungen erarbeiten
lassen. Dabei sollte den Führungskräften
jedoch klar sein: Bei komplexen Change-
Vorhaben, bei denen es neben Gewin­
nern auch Verlierer gibt, gelingt es in der
Startphase (fast nie), einen Konsens für
das Neue zu schaffen. Entscheidend ist
es, ausreichend Mitstreiter für das Vorha­
ben zu finden, die sich für das Erreichen
der Ziele engagieren, sodass das Projekt
voller Energie starten kann. Denn dann
können mit der Zeit immer mehr „Fence-
sitter“, also Mitarbeiter, die dem Projekt
zunächst abwartend distanziert gegen­
überstehen, als Mitstreiter gewonnen
werden. Und die wenigen Personen, die
das Projekt sozusagen „boykottieren“?
Sie sind zunehmend isoliert.
Kompetenz 8:
Menschen für
Veränderung motivieren können
Gerade ältere, berufserfahrene Mitarbeiter
stehen geplanten Veränderungsvorhaben
häufig zunächst skeptisch gegenüber –
oft weniger, weil sie an deren Sinnhaftig­
keit, sondern weil sie an deren Realisier­
barkeit zweifeln. Viele Führungskräfte
neigen dazu, die Bedenken dieser Mit­
arbeiter nicht ernst zu nehmen, sondern
hierin einen Ausdruck mangelnder Ver­
änderungsbereitschaft zu sehen. Entspre­
chend schnell werden oder fühlen sich
die Mitarbeiter in die „Ecke“ gedrängt,
weshalb aus ihnen echte „Widerständler“
werden. Das hat für Projekte häufig fatale
Konsequenzen, unter anderem, weil diese
erfahrenen Mitarbeiter in den Augen ihrer
Kollegen „etwas zu sagen“ haben. Ent­
sprechend wichtig ist es, die Bedenken
dieser Mitarbeiter ernst zu nehmen und
sie soweit möglich als Mitstreiter zu ge­
winnen – zum Beispiel, indem man sie in
das Ausarbeiten möglicher Lösungen in­
tegriert. Zuweilen stecken hinter schein­
bar sachlich begründeten Bedenken aber
auch Ängste, Besitzstände zu verlieren.
Dann gilt es, Konsequenz zu zeigen,
indem man den Betreffenden vermittelt:
Die Veränderung ist unumgänglich. Wer
nicht bereit ist, sich auf das Neue einzu­
lassen, zählt zu den Verlierern.
Kompetenz 9:
Individualisten und
Spezialisten integrieren können
Je komplexer ein Change-Vorhaben ist,
umso stärker sind Führungskräfte auf
das Spezialwissen und die aktive Mitar­
beit von Spezialisten angewiesen – da
ihnen selbst häufig das Know-how zum
Entwickeln der Problemlösung fehlt. Des­
halb müssen sie nicht nur bereit sein,
auf die Empfehlungen der Spezialisten
zu hören, sie müssen diese auch in die
Arbeitsteams integrieren. Das erfordert
häufig viel Fingerspitzengefühl, unter an­
derem, weil die Spezialisten meist um die
Bedeutung ihres Wissens für den Erfolg
wissen. Entsprechend selbstbewusst sind
sie. Entsprechend schwierig lassen sie
sich häufig auch führen. Deshalb sollten
Führungskräfte ein besonderes Augen­
merk auf das Gewinnen dieser Mitarbei­
ter als Mitstreiter legen. Zum Beispiel,
indem sie regelmäßig das Gespräch mit
ihnen und den Rat von ihnen suchen und
ihnen so ihre Wertschätzung signalisie­
ren. Oder indem sie ihren Beitrag zum
Erfolg bei Teambesprechungen öffentlich
loben; des Weiteren, indem sie diese ge­
zielt in die Projektteams einbinden, die
für den Projekterfolg von zentraler Be­
deutung sind.
Kompetenz 10:
den energetischen
Prozess im „Change“ lenken können
In Change-Projekten, die sich über einen
längeren Zeitraum erstrecken, ist es nor­
mal, dass die anfängliche Aufbruchsener­
gie abnimmt – zum Beispiel, weil Erfolge
auf sich warten lassen. Dann ist es die
Aufgabe der Führungskräfte, Zuversicht
zu verbreiten. Ähnlich wie dies angeblich
Thomas Edison nach dem 1000sten Fehl­
versuch, eine Glühbirne zu entwickeln,
tat, als ein Mitarbeiter zu ihm sagte: „Wir
sind gescheitert.“ Daraufhin soll Edison
erwidert haben: „Wir sind nicht geschei­
tert. Wir kennen nun 1.000 Wege, wie
man eine Glühbirne nicht entwickeln
kann.“
Wichtig ist es in solchen Situationen,
dass die Führungskräfte auf ein attrakti­
ves Zielbild zurückgreifen können, das
sie ihren Mitarbeitern vor Augen führen
– also eine Vision davon, wie sich ihr
Arbeitsalltag, ihre Arbeitssituation usw.
gestaltet, wenn die angestrebte Verän­
derung realisiert ist – verknüpft mit der
Frage, ob sich hierfür die Anstrengung
nicht lohnt. Wichtig ist es zudem, gerade
bei Change-Vorhaben, die sich über einen
längeren Zeitraum erstrecken, immer wie­
der Teilerfolge zu kommunizieren und
zu „feiern“. Denn Kulturveränderungen
vollziehen sich in Unternehmen oft so
langsam, dass die Beteiligten das Gefühl
haben, „Da bewegt sich ja gar nichts“,
selbst wenn die Organisation sich auf
einem guten Weg befindet.
Kompetenz 11:
Rückgrat sowie
Ausdauer und Geduld haben
Gerade weil insbesondere kulturverän­
dernde Projekte häufig sehr lange dau­
ern, müssen die Führungskräfte Rückgrat
haben. Das heißt, sie sollten für gewisse
Werte stehen und auch nicht wanken,
wenn ihnen mal der Wind ins Gesicht
bläst. Denn nur dann können sie ihren
Mitarbeitern den gewünschten Halt und
die benötigte Orientierung bieten. Zudem
sollten sie eine relative Gelassenheit aus­
strahlen – selbst wenn ein Projekt zu
scheitern droht. Das setzt voraus, dass
die Führungskräfte selbst ein Leben in
Balance führen und in ihm Oasen exis­
tieren, an denen sie neue Energie tanken
können.
Michael Schwartz
R
Michael Schwartz
leitet das Insti-
tut für integrale
Lebens -
und
A r b e i t s p r a x i s
(Ilea) in Esslingen bei Stuttgart, das
unter anderem in Kooperation mit
dem Steinbeis-Transferzentrum PVM,
Reutlingen, eine Changemanagement-
Kompaktausbildung für die Mitarbei-
ter von Unternehmen anbietet. Der
Diplom-Physiker arbeitete vor seiner
Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte als
Führungskraft und Projektmanager in
der (Software-)Industrie.
Institut für integrale Lebens- und
Arbeitspraxis
Rüderner Straße 9
73733 Esslingen
Tel. 0711 3513728
AUTOR
1...,20,21,22,23,24,25,26,27,28,29 31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,...68
Powered by FlippingBook