personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
02_2017
eigene Perspektive verloren, ziehen sich
Menschen ins Private zurück. In solchen
Fällen konzentrieren sie sich in der Regel
darauf, die ihnen noch verbleibende Zeit
so angenehm und sinnstiftend wie mög-
lich zu verbringen. Die typischen Mus-
ter motivationaler Prioritäten, wie sie
bei jungen und gesunden Menschen mit
einer uneingeschränkten Zeitperspektive
zu beobachten sind, verlieren merklich
an Bedeutung. So investieren Menschen
in potenziell lebensbedrohlichen Situati-
onen etwa kaum noch Zeit, um sich auf
zukünftige Aufgaben und Herausforde-
rungen vorzubereiten.
Faktoren in der Arbeitswelt
Für die Arbeitswelt sind erste substan-
zielle Hinweise aus zurückliegenden Un-
tersuchungen von größerer Bedeutung.
Sie legen nahe, dass sich verschiedene Ar-
beitseigenschaften im Arbeitsablauf posi-
tiv auf die wahrgenommene Zukunfts-
perspektive auswirken. Beispiele hierfür
sind etwa die Aufgabenschwierigkeit oder
die gewährte Entscheidungsfreiheit. Die
individuellen Zukunftsperspektiven der
Mitarbeiter, die mit solchen Variablen zu-
sammenhängen, beeinflussen wiederum
verschiedene Faktoren der Arbeitsmotiva-
tion und Arbeitsleistungen.
Um diese Zusammenhänge und etwaige
Implikationen für das Personalmanage-
ment besser zu verstehen, haben wir in
einer Studie 913 Mitarbeiter unterschied-
licher Hierarchieebenen in 76 Geschäfts-
einheiten von 15 Unternehmen aus ver-
schiedenen Branchen befragt. Das Alter
der Befragten lag zwischen 19 und 64
Jahren. Neben der Zukunftsperspektive
und diversen Arbeitseinstellungen der
Mitarbeiter standen hierbei vor allem die
Aktivitäten des Personalmanagements
im Mittelpunkt. Die untersuchten The-
menfelder waren dabei: Aus- und Wei-
terbildung, Entgelt, Personalauswahl,
Beförderungsmöglichkeiten, Mitarbeiter-
beurteilung, variable Vergütung, Arbeits-
platzsicherheit, Mitarbeiterbeteiligung,
Arbeitszeitflexibilität, Beschwerdewesen
sowie die Informationspolitik im Unter-
nehmen (siehe Grafik „Untersuchte HRM-
Praktiken“). Mit der vorliegenden Un-
tersuchung konnten wir somit erstmals
wichtige Einflussmöglichkeiten auf diese
sonst alterstypischen Veränderungen von
motivationalen Prioritäten nachweisen
und davon abhängige Wahrnehmungs-
und Verhaltensmuster in täglichen Situa-
tionen der Arbeitswelt belegen.
HR formt Zukunftsaussichten
Die überraschend klaren Ergebnisse der
durchgeführten statistischen Analysen
(Mediationsanalyse mit Mehrebenen-
regressionsmodellen) belegen, dass die
Zukunftsperspektive der Erwerbstätigen
durch das Personalmanagement maß-
geblich mitbestimmt wird – und zwar
deutlich über das durch Lebensalter und
Schwierigkeit der Arbeitsaufgaben zu er-
wartende Maß hinaus. Grundsätzlich gilt:
Je mehr und je stärker Unternehmen aus
Mitarbeitersicht die verschiedenen Ins
trumente des Personalmanagements ein-
setzen, desto positiver entwickelt sich die
auf die Zukunft gerichtete Perspektive der
Mitarbeiter – das heißt, sie nehmen die
Zukunft stärker als Zeit voller Möglichkei-
ten und Chancen und weniger als Zeit der
R
Untersuchte HRM-Praktiken
Wirkverhältnisse.
In der Studie wurde der Zusammenhang zwischen
den genannten HR-Praktiken und der Zukunftsperspektive sowie der
Arbeitseinstellung von Mitarbeitern untersucht.
Quelle: Korff, Biemann und Voelpel, angelehnt an Liu, Combs, Ketchen & Irland, 2007
Informations-
politik
Auswahl
Befähigung zur Nutzung
von Qualifikationen
Förderung von Wissen,
Fähigkeiten und Fertigkeiten
Begünstigung der
Mitarbeitermotivation
Arbeitsplatz-
sicherheit
Arbeitszeit-
flexibilität
Aus- und
Weiterbildung
Beschwerde-
wesen
fixes Entgelt
Mitarbeiter-
beteiligung
Mitarbeiter-
beurteilung
variable
Vergütung
Beförderungs-
möglichkeiten
Ergebniszusammenfassung
Stufenmodell.
Die Ergebnisse zeigen: Das HRM-System wirkt sich
positiv auf die Zukunftsperspektive der Mitarbeiter aus – und diese
sich wiederum auf Arbeitszufriedenheit und Bindung.
Quelle: Korff, Biemann und Voelpel
.06
.01
.33
.63
.43
Arbeits-
zufriedenheit
Unternehmens-
bindung
HRM-System
Zukunfts-
perspektive