wirtschaft + weiterbildung
02_2017
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Einschränkung und Begrenzungen wahr.
Diese Wahrnehmung wirkt sich wie-
derum positiv auf Arbeitseinstellungen
wie Arbeitszufriedenheit und Unterneh-
mungsbindung der Mitarbeiter aus (siehe
Grafik „Ergebniszusammenfassung“).
Konkreter: Die Belegschaft von Unter-
nehmen, die ihre Mitarbeiter beispiels-
weise transparent und nach objektiven
Kriterien auswählen, die ihnen Möglich-
keiten zur Weiterbildung bieten, sie in
Entscheidungsprozesse einbinden und
Vergütungsmodelle nicht nach dem Se-
nioritätsprinzip, sondern nach dem Leis
tungsprinzip ausrichten, weisen motiva-
tionale Prioritäten auf, die man gewisser-
maßen als „verjüngt“ bezeichnen könnte,
wenn man so will. Dieser Effekt hängt
nicht mit dem biologischen Alter zusam-
men: Die Mitarbeiter solcher Unterneh-
men sehen in ihrer persönlichen Zukunft
mehr Chancen und Möglichkeiten und
erwarten häufiger, sich zukünftig neue
Pläne und Ziele zu setzen – unabhängig
vom tatsächlichen Lebensalter. Sie sehen
typischerweise ihre Zukunft heller und
aussichtsreicher und erwarten weniger
Einschränkungen, Grenzen und zeitliche
Restriktionen. Das wirkt sich in der Folge
wiederum positiv auf die Arbeitszufrie-
denheit und Unternehmensbindung der
Mitarbeiter aus.
Die beschriebenen Ergebnisse sind besser
verständlich, wenn man einen Blick auf
die Funktion von Personalmaßnahmen
aus Sicht der Mitarbeiter wirft. Die Instru-
mente des Personalmanagements lassen
sich so als Ressourcen begreifen, die –
soweit sie vom Unternehmen angeboten
werden – den Mitarbeitern dabei behilf-
lich sein können, grundlegende psycho-
logische Funktionen wie zum Beispiel die
Informationsbeschaffung sicherzustellen
oder die konsistente Vorstellung über
die eigene Person, das Selbstkonzept,
aufrechtzuerhalten. Hierbei fungieren
manche Personalpraktiken (zum Beispiel
Leistungsbeurteilung oder Mitarbeiterbe-
teiligung) aus Mitarbeitersicht als sozio
emotionale Ressourcen, die fundamen-
tale menschliche Anliegen wie etwa das
Selbstwertgefühl oder den Wunsch nach
Anerkennung bedienen.
Reichen die vorgefundenen Ressourcen
nicht (mehr) aus, um die beschriebenen
Grundfunktionen zu erfüllen, werden Al-
ternativen gesucht. Erwerbstätige, die ihr
Selbstwertgefühl und den Wunsch nach
Anerkennung, ihren Informationsbedarf
sowie ihr Selbstkonzept nicht hinrei-
chend mithilfe von Ressourcen in ihrer
Arbeitsumgebung bedienen können,
sehen hier keine günstigen Bedingungen
für ihre Zukunft und erfahren so eine ein-
geschränkte Zukunftsperspektive. Derart
verminderte Aussichten werden wahrge-
nommen, bewertet und führen letztlich
zu einer entsprechenden Anpassung der
Einstellungen – beispielsweise zu gerin-
gerer Arbeitszufriedenheit und Unterneh-
mensbindung. Diese Einstellungen sind
individuelle Anpassungsleistungen, die
Menschen bei ihrer Auseinandersetzung
mit der Umwelt – hier mit der Arbeitsum-
gebung – helfen, das eigene Verhalten zu
steuern.
Praxisrelevanz der Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Untersuchung tra-
gen dazu bei, die Wirkungsweise des
Personalmanagements in den Grundme-
chanismen besser zu verstehen. Damit
zeigen die Studienergebnisse Hand-
lungsmöglichkeiten für eine angepasste
Entwicklung und Ausrichtung von HR-
Praktiken in Unternehmen. Das ist neu
für das Personalmanagement. So können
Unternehmen die Zukunftsperspektiven
ihrer Mitarbeiter im Hinblick auf ihre
grundlegende Motivation beeinflussen,
sie gewissermaßen „jünger“ machen
– eine Vorstellung, die gerade in Zeiten
des demografischen Wandels überaus
interessant und relevant erscheint. Die
Zukunftsperspektive auch und gerade
älterer Mitarbeiter sollte deshalb von
Unternehmen ernsthaft berücksichtigt
werden. Personalabteilungen, die sich
mit den Folgen des demografischen
Wandels für die Zukunftsfähigkeit ihrer
Belegschaft auseinandersetzen, sind gut
beraten, wenn sie auch ältere Mitarbeiter
eng in ihre Personalmanagementsysteme
einbinden. Unternehmen, die älteren Mit-
arbeitern keine Weiterentwicklungsmög-
lichkeiten, keine Aufstiegschancen und
keine leistungsabhängige Vergütung bie-
ten, vermitteln, dass deren Zeit im Unter-
nehmen abgelaufen ist. Die Folge ist, dass
sich solche Mitarbeiter zurückziehen und
im Extremfall innerlich kündigen, lange
bevor sie tatsächlich altersbedingt aus-
scheiden. Die wahrgenommene Zukunfts-
perspektive von Mitarbeitern stellt somit
eine wichtige Orientierungshilfe für die
strategische Ausrichtung von Personal-
managementsystemen für unterschiedli-
che Altersgruppen der Mitarbeiter dar.
Jörg Korff, Torsten Biemann
„Je mehr und je stärker Unternehmen geeignete
HR-Instrumente einsetzen, desto positiver entwickelt
sich die Zukunftsperspektive ihrer Mitarbeiter.“
Dr. Jörg Korff
ist Mitarbeiter am
Lehrstuhl für ABWL,
Personalmanage-
ment und Führung
an der Universität Mannheim und Ge–
schäftsführer von PAM – People Analy
tics Mannheim.
Universität Mannheim
Schloss, 68161 Mannheim
Tel. 0621 1811504
AUTOREN
Prof. Dr. Torsten
Biemann
ist Inhaber des
Lehrstuhls
für
ABWL, Personal
management und Führung an der Uni-
versität Mannheim und Geschäftsführer
von PAM – People Analytics Mannheim.
Universität Mannheim
Schloss, 68161 Mannheim
Tel. 0621 1811502