wirtschaft + weiterbildung
02_2017
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belegen, dass bei einer Aufgabe, die im
Team gelöst werden muss, Teilnehmer
aus östlichen (meist kollektivistisch ge-
prägten) Ländern überlegen sind. Wird
dieselbe Aufgabe als Einzelaufgabe ver-
geben, schneiden individualistisch ge-
prägte, westliche Teilnehmer besser ab.
Lässt man individualistische und kollek-
tivistisch geprägte Mitarbeiter ohne Refle-
xion dieser Unterschiede gemeinsam auf
eine Aufgabe los, ist ziemlich sicher, dass
das Ergebnis zunächst nicht optimal sein
wird und darüber hinaus Abwertungen
im Raum stehen werden: „Der andere
trägt ja gar nichts bei!“ oder „Die redet
ja dauernd und macht alle platt!“. Brod-
beck weist daher auf die Relevanz der
Dimension (sie heißt in der Globe-Studie
„gruppenbasierter Kollektivismus“) für
die Führung von Teams hin. Ein Beurtei-
lungssystem, die Instruktion bei Aufga-
benstellungen, das Feedback – beinahe
jede Führungsintervention muss anders
gestaltet werden – je nachdem, ob sich
die Mitarbeiter als Teil der Gruppe oder
primär für den eigenen Erfolg verantwort-
lich verstehen.
Kulturdimension
„Maskulinität versus Femininität“
In dieser Kulturdimension geht es um die
Frage, wie sich ein Mann und wie sich
eine Frau fühlen und verhalten sollten.
Wer ist in einer Kultur für welche Auf-
gaben und Gefühle zuständig? In fe-
mininen Kulturen (zum Beispiel in den
meisten skandinavischen Ländern) teilen
sich Männer und Frauen die Aufgaben
eher paritätisch. Auch Männer sind für
Liebe, Nähe, Haushalt und Familie zu-
ständig. Auch Frauen dürfen sich durch-
setzen, stark sein, Karriere machen. Ein
Chef erfährt mehr Akzeptanz, wenn er
die Erwartungen seiner Kultur an einen
Chef erfüllt. Klaffen die Erwartungen an
eine Frau und die Erwartungen an einen
Chef auseinander, wie das in maskulinen
Ländern wie Deutschland oder England
nach wie vor der Fall ist, wird dasselbe
Verhalten (zum Beispiel „laut werden“)
bei Männern als Stärke und bei Frauen als
„Stresssymptom“ interpretiert.
Genau dieses Phänomen stellte sich in
einer Studie als Ursache dafür heraus,
dass in internationalen Talent Assess-
ments Frauen schlechter abschnitten.
Verantwortlich war, wie eine akribische
Untersuchung zeigte, die Definition des
Merkmals „Durchsetzungsfähigkeit“.
Diese Kompetenz war so definiert, dass
Frauen nur verlieren konnten: Entweder
sie setzten sich nicht durch, was nega-
tiv bewertet wurde, oder sie setzten sich
durch, was (nur bei Frauen) ebenfalls
negativ bewertet wurde. Eine Erweite-
rung und Um-Definition des Kriteriums
„Durchsetzung“ um subtilere Formen des
Sich-Behauptens schaffte Abhilfe.
Kulturdimension
„Unsicherheitsvermeidung“
Die Freude war wirklich sehr groß. „Bitte
rollen Sie unser internationales Trai-
ning zum Thema Risikomanagement in
Deutschland aus“, lautete der Auftrag,
den eine Münchner Unternehmensbera-
tung aus den USA erhielt. Das Handbuch
für Risikomanager lag zunächst nur in
englischer Sprache vor und musste als
erster Schritt von den Beratern übersetzt
werden. Diese stutzten, als sie sahen,
dass die Anordnung „Think Twice“ die
zentrale Botschaft für die Belegschaft
sein sollte. „Denkt zweimal nach, bevor
ihr loslegt“, sollte den deutschen Mitar-
beitern eingeimpft werden, denn durch
die Überprüfung von Entscheidungen
könne jedes Risiko leicht reduziert wer-
den. Den Trainern kam diese Botschaft
seltsam vor. Ängstlich abwarten und
lange und gründlich nachdenken konn-
ten die deutschen Mitarbeiter doch schon
perfekt. Die deutsche Zögerlichkeit war
seit Jahren ein Konfliktherd zwischen
der Firmenzentrale in den USA und den
deutschen Töchtern. Die Absicht, die für
unreflektierte amerikanische Haudegen
formulierten Ratschläge auch den Deut-
schen mit auf den Weg geben zu wollen,
war unüberlegt und zeugte von geringem
interkulturellem Verständnis. Die Über-
setzung der amerikanischen Vorschriften
und deren Rollout an zwölf deutschen
Standorten wäre rausgeworfenes Geld
gewesen, wenn diese Unterschiede zwi-
schen Deutschland und den USA nicht
offengelegt worden wären.
Dieses Beispiel ist typisch dafür, dass
in unterschiedlichen Ländern die Frage
„Wie gehen wir mit dem Unbekannten
um?“ ganz unterschiedlich beantwortet
wird. In Deutschland versucht die Mehr-
zahl der Menschen, Unwägbarkeiten
durch akribisches Analysieren und Pla-
nen vorhersagbar und durch Regeln kon-
trollierbar zu machen. Man phantasiert
mit einer gewisen Hingabe, was schief-
laufen könnte und macht dann einen
Plan „B“. Sicherheitsvorschriften werden
eher genau eingehalten als ignoriert. In
den USA ist dagegen für die Mehrzahl der
Menschen das Prinzip „Try and Error“
völlig in Ordnung und die Unsicherheit,
nicht genau zu wissen, was kommt, wird
im Allgemeinen gut ausgehalten. Man
handelt sehr viel flexibler und schneller
und sagt mit einer gewissen Unbeküm-
mertheit: „Let‘s just do it.“ Fehler, die bei
dieser Vorgehensweise passieren, werden
eher verziehen.
R
Buchtipp.
„Lokales Denken, globales Han-
deln“ beschreibt ausführlich die diversen
Kulturdimensionen Hofstedes. Die gründ-
lich aktuallisierte 6. Auflage wird im Som-
mer bei Beck/DTV in München erscheinen.
Prof. Dr. Geert Hofstede.
Er begründete
in den siebziger und achtziger Jahren die
empirische, interkulturelle Forschung und
steht weltweit auf Platz 17 der am
häufigsten zitierten Sozialforscher.
Foto: Twist