wirtschaft und weiterbildung 2/2017 - page 37

wirtschaft + weiterbildung
02_2017
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reiche theoretische wie praktische Kennt-
nisse der Mediation haben und diese in
ihren Seminaren vermitteln.
„Siegel“ konnten sich bislang
nicht durchsetzen
Bei den Mediationskunden sind hingegen
die verschiedenen Siegel „Mediatorin XY“
(mit Verbandsanerkennung) in ihrer Be-
deutung bisher nicht bekannt. Zu vielfäl-
tig sind die Titel und zu unübersichtlich
die Verbandslandschaft in Deutschland.
Privat- wie Firmenkunden haben eher
der zugeschriebenen Kompetenz sowie
Empfehlungen vertraut, statt bestimmte
Nachweise zu verlangen. Vermutlich gab
es auch deshalb immer schon Fort- und
Ausbildungen, die ohne Qualitätsnach-
weis und häufig in einer „Schnellbleiche“
Mediatoren ausbildeten, mit teilweise
doch sehr fragwürdigen Ausbildungser-
gebnissen.
Mit dem Ziel, die Mediation und andere
Verfahren der alternativen Streitbeilegung
zu fördern, trat das Mediationsgesetz am
26. Juli 2012 in Kraft. Im Wesentlichen
handelt es sich dabei um ein Berufsrecht
für Mediatoren, das einzelne Rechte und
Pflichten regelt. Darin unterscheidet der
Gesetzgeber zwischen „Mediator“ (§ 5
Abs. 1 MediationsG) und „zertifiziertem
Mediator“ (§ 5 Abs. 2). Ein Mediator
„stellt in eigener Verantwortung durch
eine geeignete Ausbildung und regel-
mäßige Fortbildung sicher, dass er über
theoretische Kenntnisse sowie praktische
Erfahrungen verfügt, um die Parteien
in sachkundiger Weise durch die Medi-
ation führen zu können.“ Ist jemand in
diesem Sinne Mediator, ist er durch das
Mediationsgesetz zur Verschwiegenheit
verpflichtet – und erfährt umgekehrt da-
durch auch Schutz.
Zertifizierter Mediator darf sich hingegen
nennen, wer eine Ausbildung zum Medi-
ator abgeschlossen hat, die den Anforde-
rungen einer noch zu verabschiedenden
Rechtsverordnung entspricht und sich
entsprechend regelmäßig weiterbildet.
Das Gesetz schuf dadurch einen ge-
schützten Titel, der an bestimmte Quali-
tätsanforderungen geknüpft ist. Das Bun-
desjustizministerium wurde seinerseits
im Gesetz ermächtigt, diese Rechtsver-
ordnung zu erlassen. Nach einem Refe-
rentenentwurf, der Anfang 2014 vorgelegt
wurde, war es lange still, bevor am 21.
August 2016 die Verordnung über die
Aus- und Fortbildung von zertifizierten
Mediatoren (ZMediatAusbV) verabschie-
det wurde. Sie tritt nun, mehr als fünf
Jahre nach Verabschiedung des Mediati-
onsgesetzes, zum 1. September 2017 in
Kraft.
Weder Fisch noch Fleisch
Ob das Mediationsgesetz sein Ziel, die
Mediation zu fördern, erreicht hat, wird
derzeit vom Deutschen Forschungsinsti-
tut für öffentliche Verwaltung in Speyer
untersucht. Bereits heute sind wir skep-
tisch, ob die Rechtsverordnung einen
Beitrag zur Qualitätssicherung und zum
Verbraucherschutz leisten kann. In der
„Verordnung über die Aus- und Fortbil-
dung von zertifizierten Mediatoren“ sind
folgende Mindeststandards definiert:
1.
Ausbildung mit 120 Zeitstunden
Präsenzunterricht
Eine Ausbildung zum zertifizierten Me-
diator enthält mindestens 120 Präsenz-
zeitstunden und orientiert sich an den
„Inhalten eines Ausbildungslehrgangs“.
Dort sind Theorie, Techniken und Metho-
den acht Gruppen zugeordnet und mit
Zeitstunden hinterlegt. Die inhaltliche
Schwerpunktsetzung wie auch die Auftei-
lung in Theorie- und Praxisanteile obliegt
den Ausbildungsinstituten. Kritisch sehen
wir hier den hohen Anteil von 18 Stunden
Recht im Verhältnis zum Gesamtumfang.
Im Vergleich dazu sind die Themen Kom-
munikation (18 Stunden) und Haltung/
Rollenverständnis mit zwölf Stunden
unterrepräsentiert. Aus unserer Sicht de-
finiert sich ein guter Mediator über seine
kommunikative Kompetenz sowie seine
Haltung von Akzeptanz und Wertschät-
zung und weniger über fachliche Kennt-
nisse des Rechts. Die Ausbildungsdauer
wird von uns als absolute Untergrenze
eingeschätzt.
2.
Fünf Praxisfälle und Supervision
Zertifizierte Mediatoren müssen insge-
samt fünf eigene Mediationen durchfüh-
ren und supervidieren lassen, wobei ein
Fall innerhalb der Ausbildung oder ein
Jahr nach deren Abschluss liegen muss,
vier Mediationen (und deren Supervi-
sion) innerhalb von weiteren zwei Jah-
ren. Wir begrüßen die Qualitätssicherung
der ersten Schritte in der Praxis durch
Einzelfallsupervision.
Auch die Festlegung auf fünf eigene
Mediationen ist nahe dem Standard der
Mediationsverbände. Leider wurde der
Umfang einer Supervision je Mediation
wie auch die Qualifikation der Supervisor
nicht definiert. Hier sind die Vorgaben der
Mediationsverbände klarer. Unverständ-
lich ist, dass der Titel bereits nach dem
Abschluss der Ausbildung und der ersten
Mediation (inklusive Supervision) ver-
wendet werden darf.
Christian Bähner,
Diplom-Pädagoge,
ist geschäftsführen-
der Gesellschafter
von „Zweisicht“. Seit
2003 ist er als Experte für eine koope-
rative Konfliktkultur in Unternehmen
und dem öffentlichen Dienst als Wirt-
schaftsmediator, Konflikt-Coach und
Organisationsberater tätig.
Zweisicht
Bähner & Schwertfeger GbR
Hirschenhofweg 14, 79117 Freiburg
Tel. 0761 2022200
AUTOREN
Elke Schwertfeger,
Diplom-Psychologin,
Mediatorin, Coach
und OE-Beraterin ist
geschäftsführende
Gesellschafterin von „Zweisicht“. Sie ist
Lehrbeauftragte an der Universität Frei-
burg. An der „Zweisicht Akademie“ bildet
sie zusammen mit Christian Bähner Wirt-
schaftsmediatoren nach den Vorgaben
der „ZMediatAusbV“ und den Standards
des Bundesverbandes Mediation e.V.
(BM) aus. Die „Zweisicht Akademie“ bie-
tet auch diverse Vertiefungsseminare für
Mediatoren an.
Foto: freshidea / AdobeStock
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