WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 6/2017 - page 35

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wirtschaft + weiterbildung
06_2017
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Macht beziehungsweise Teile ihrer Macht
abzugeben – beispielsweise
• aufgrund der Angst, Pfründe und Privi-
legien zu verlieren, oder
• aufgrund eines mangelnden Vertrau-
ens in die Kompetenz und Loyalität der
Mitarbeiter – gemäß dem verinnerlich-
ten Credo: „Dass die Mitarbeiter mit
mehr Autonomie nicht verantwortlich
umgehen können, das hat die Vergan-
genheit gezeigt.“
Solange dieses Denken das Führungshan-
deln bestimmt, findet keine wahre und
nachhaltige Veränderung statt. Denn wer
eine neue fluide Organisation mit flexi-
blen Strukturen aufbauen möchte, muss
auch gewillt sein, „alte Zöpfe“ abzu-
schneiden.
Jetzt eine agile Struktur und
Kultur entwickeln
Beim Entwickeln einer agilen Unterneh-
mensstruktur und -kultur stellen sich fol-
gende Fragen, die teilweise einen Paradig-
menwechsel erfordern:
Frage 1:
Welchen Werten entspringt
unser neuer Führungsgedanke? Was
heißt das für unsere Rituale und unser
Handeln?
Damit eine neue Kultur entstehen kann,
braucht es einen neuen Wertekodex, der
hierarchieübergreifend entwickelt werden
sollte. Diesen Kodex gilt es dann in ge-
meinsamen Ritualen mit Leben zu füllen.
Frage 2:
Welche Daseinsberechtigung
hat künftig das mittlere Management?
In einer fluiden Organisation werden die
Kernleistungen weitgehend von Teams er-
bracht. Diese benötigen eine projekthafte
Führung, die das kurzfristige Entstehen,
aber auch Auflösen von Teams fördert.
Hieraus erwächst die Frage: Welche
Funktion haben dann noch die Team-,
Abteilungs- und Bereichsleiter? Inwieweit
sind sie überhaupt noch nötig?
Frage 3:
Wie messen und entlohnen
wir künftig die (individuelle) Leistung?
Wenn die Leistung in Teams beziehungs-
weise Beziehungsnetzwerken erbracht
wird, erhebt sich die Frage, wie die in-
dividuelle Leistung erfasst und gerecht
entlohnt wird. Auch in einer fluiden Or-
ganisation muss sichergestellt sein, dass
jeder Mitarbeiter ein bestimmtes Leis-
tungspotenzial abruft – und sich zum Bei-
spiel nicht Einzelne auf Kosten des Teams
„ausruhen“. Diesbezüglich gilt es Trans-
parenz zu schaffen. Im digitalen Zeitalter
ist diese Kontrolle aber nicht mehr durch
die Führungskraft nötig. Sie kann auch
mittels einer digitalen Messlatte erfolgen,
die ähnlich wie im privaten Bereich der
Konto-Auszug einer Bank anzeigt: Wie
groß ist mein „Haben“, und wie weit ist
mein Überziehungskredit ausgereizt?
Es braucht dann jedoch auch ein daran
gekoppeltes wirksames Konsequenzen-
Management.
Frage 4:
Welche Funktion hat Führung
in den agilen Strukturen?
Klar ist: Führungskräfte müssen in ver-
netzten Strukturen mehr Beziehungs- als
Schnittstellenmanager sein; außerdem
müssen sie sich, wenn sich die fachliche
(Entscheidungs-)Kompetenz weitgehend
auf die operative Ebene verlagert, vom
fachlichen Mentor zum Coach bezie-
hungsweise Agilitäts-Coach entwickeln.
Agilität.
Führungskräfte und
Mitarbeiter ruhen sich nicht auf
ihren Lorbeeren aus, sondern
entwickeln sich mit den Anfor-
derungen der Kunden.
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