WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 6/2017 - page 44

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
06_2017
ten stark verändert. Sie erfolgt zuneh-
mend im virtuellen Raum. Deshalb stellt
sich auch für Coachs die Frage: Sollen wir
die moderne Kommunikations- und In-
formationstechnik stärker für unsere Ar-
beit nutzen und diese (partiell) vielleicht
sogar in den virtuellen Raum verlagern?
Setzt Coaching persönliche
Treffen voraus?
Für die meisten berufserfahrenen Coachs
gilt: Sie haben ihr Coaching-Handwerk
in vielen Präsenztrainings und in zahl-
reichen Coaching-Sitzungen erlernt, in
denen ihnen der Coachee – also die Per-
son, die gecoacht wurde – gegenüber-
saß. Hieraus erwuchs ihre innere Über-
zeugung: Zum Coachen bedarf es eines
persönlichen Treffens und Kontakts. Und
diese Sichtweise wurde im Verlauf der
Jahre immer wieder als „richtig“ bestä-
tigt.
Trotzdem stellt sich die Frage: Sollten
Coachs diese Grundeinstellung über­
denken, weil heute ihre Klienten und die
Rahmenbedingungen zunehmend etwas
anderes (er-)fordern? Um hierauf eine ad-
äquate Antwort zu finden, lohnt es sich,
sich zunächst noch einmal zu fragen:
Was ist Coaching?
Laut Wikipedia ist das Wort Coaching
ein Sammelbegriff, der die unterschied-
lichen Beratungsmethoden zusammen-
fasst. Gemeinsam ist ihnen, dass sie da-
rauf abzielen, die Lösungskompetenz des
Coachees zu steigern und dessen indivi-
duelle Ressourcen zu aktivieren. Im Ver-
lauf dieses Prozesses führt der Coach den
Coachee durch unterschiedliche Settings
von einer problemorientierten zu einer
handlungsorientierten Denkweise mit
verschiedenen Handlungsoptionen. Diese
Coaching-Definition setzt nicht explizit
ein persönliches Treffen von Coach und
Coachee voraus. Erfahrene Coachs wis-
sen jedoch: Ein persönliches Sich-Begeg-
nen und Miteinander-Sprechen ist sehr
hilfreich beim Coachen, denn es ermög-
licht ein intensiveres Wahrnehmen und
somit oft auch angemesseneres Reagieren
auf die gecoachte Person als zum Beispiel
ein Kontakt per Mail oder Telefon. Zudem
erleichtert es den Beziehungs- sowie Ver-
trauensaufbau und den gesamten Ausbau
der bestehenden Beziehung.
Coaching-Sitzungen lösen bei Menschen
oft intensive innere Prozesse aus: Es wird
etwas „bewegt“. Diese innere Bewegung
artikuliert sich außer durch verbale Äu-
ßerungen unter anderem in einer verän-
derten Stimmlage, Sprechgeschwindig-
keit und Lautstärke. Und noch deutlicher
zeigt sie sich oft in der Körpersprache
– zum Beispiel in einer veränderten Sitz-
position oder einer nicht stimmigen Kör-
perhaltung, nervösen Arm- oder Beinbe-
wegungen und für den Coachee ganz und
gar außergewöhnlichen Muskelanspan-
nungen.
Nachteile des klassischen
Coachings
Solche Beobachtungen signalisieren dem
Coach, welche Prozesse im Coachee
ablaufen. Sie helfen ihm, den Coachee
beim Finden der Lösung zu begleiten. Sie
ermöglichen es ihm zudem, festzustel-
len, ob der Coachee sich noch in einem
Problemzustand befindet oder schon in
einer Lösungsphysiologie. Seine Wahr-
„Digitale Transformation“ – so lautet ak-
tuell ein Buzz-Wort in der Management-
Diskussion. Damit verbunden ist die Er-
wartung, dass der technische Fortschritt
im Bereich der modernen Kommunika-
tions- und Informationstechnologie die
Prozesse in den Unternehmen radikal
verändern wird – auch im Bereich der be-
trieblichen Weiterbildung und Personal-
entwicklung.
Fakt ist bereits heute: Die zwischen-
menschliche Kommunikation hat sich in
den zurückliegenden ein, zwei Jahrzehn-
Coaching im digitalen
Zeitalter
PROFESSIONALISIERUNG II.
Wie sinnvoll ist es, die moderne Informations- und
Kommunikationstechnologie für unsere Coachings zu nutzen? Das fragen sich zurzeit
viele Coachs – unter anderem, weil sich neben den Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer
Klienten deren Kommunikationsgewohnheiten verändert haben.
Trend.
„Standard-Coachings wer-
den absehbar durch künstliche
Intelligenzen durchgeführt“, warnte
der Coaching-Experte Christo-
pher Rauen, Osnabrück, in einem
Beitrag für die Mai-Ausgabe des
„Coaching-Newsletters“
er eine
anspruchsvolle, eine von Bewusst-
sein beseelte Kommunikation
werde nach wie vor eine Kernkom-
petenz eines menschlichen Coachs
bleiben. Coachs sollten sich darin
üben, individuellere Erkenntnis-
prozesse zu gestalten und mehr
Selbstreflexion zu ermöglichen.
Noch hätten „echte“ Coachs einen
Vorsprung in Bereichen wie soziale
Intelligenz, Humor, Provokation.
Bald könnte der
Roboter coachen
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