wirtschaft + weiterbildung
06_2017
51
Petra Stehle.
Die staatlich anerkannte Physiotherapeutin setzt sich für
ein gesünderes Arbeiten am PC ein.
aber zunächst nur der zweite Schritt. Der
erste Schritt liegt auf der Unternehmens-
seite, nämlich darin, das Thema Ergono-
mie ernst zu nehmen. Das passiert im
Betrieblichen Gesundheitsmanagement
beziehungsweise der Gesundheitsförde-
rung oft noch zu niederschwellig.
Mit welchen Argumenten lassen sich
Arbeitgeber denn überzeugen, die
ergonomischen Bedingungen im
Unternehmen zu verbessern?
Stehle:
Meist ist dem Arbeitgeber schon
selbst bewusst, dass eine ergonomische
Optimierung notwendig ist. Das Argu-
ment Nummer eins ist: Eine Veränderung
muss nicht einmal unbedingt etwas kos-
ten. Denn aus dem Bestandsmobiliar lässt
sich in den allermeisten Fällen schon sehr
viel zur ergonomischen Verbesserung he-
rausholen – wenn man das Vorhandene
vernünftig nutzt. Das ist leider allzu oft
nicht der Fall.
Wenn ein Arbeitgeber schließlich
überzeugt ist, wie geht es dann weiter?
Stehle:
Dann kommt es darauf an, in
welchem Umfang und in welcher Tiefe
eine ergonomische Neuausrichtung ge-
wünscht ist. Das kann beim Aussortieren
kaputter Möbel anfangen und bei der in-
dividuellen Einstellung von Arbeitsplät-
zen aufhören. Es kann genauso gut in die
Erarbeitung von neuen ergonomischen
Standards mit intern definierten Schnitt-
stellen und externen Partnern führen oder
zu Schulungen von Multiplikatoren im
Haus, zu Ergonomie-Workshops für Aus-
zubildende, Hausmeister, Einkäufer oder
zu einer bunten Mischung aus all dem.
Wie schnell kann ein ergonomisch
eingerichteter Arbeitsplatz positive
Ergebnisse bewirken? Ist eine
Umstellung nicht zunächst schmerzhaft?
Stehle:
So eine ergonomische Anpassung
ist immer auch eine massive Manipula-
tion der Gelenk- und Muskelstrukturen.
Muskelkater ist da am Anfang nicht un-
gewöhnlich. Diese Manipulation kann
bei dem einen sofort angenehm und ent-
lastend wirken. In anderen Fällen muss
diese ergonomische Veränderung erst ein-
mal langsam eingestellt werden, sodass
der Körper sich daran gewöhnen kann.
Es gibt da keine verallgemeinernde Regel.
Ergonomie wirkt prinzipiell immer sofort
und auch langfristig. Der Wirkung von
Ergonomie kann sich keiner entziehen,
die Frage ist nur, ob im positiven oder ne-
gativen Sinne. Je mehr ich mir bewusst
machen kann, was mir guttut, desto bes-
ser kann ich natürlich die negativen Fak-
toren ausschalten.
Welches sind die wichtigsten Eckpunkte
beim Aufbau eines Arbeitsplatzes?
Stehle:
Ergonomie ist keine Zauberei,
die irgendwelcher Tricks bedarf. Sie ist
nachvollziehbar und logisch erklärbar.
Unser Leitfaden „Gute Ergonomie – Ge-
sünder Arbeiten am PC“ beinhaltet viele
Beispiele und ist eine Anleitung, wie ich
schrittweise vorgehe, meinen Arbeits-
platz bestmöglich an meine Körperpro-
portionen anzupassen. Kein Bereich am
Arbeitsplatz darf vernachlässigt werden,
die Segmente hängen eng zusammen. In
der Regel sind es drei Bereiche, die ergo-
nomisch angegangen werden: Die Sitzpo-
sitionen, die Tischhöhe und die Arbeits-
mittel auf dem Tisch.
Was müssen PC-Arbeiter beachten, um
korrekt zu sitzen?
Stehle:
Der Bürostuhl muss der Aus-
gangspunkt für alle ergonomischen Maß-
nahmen sein. Die Sitzhöhe sollte indivi-
duell an die entsprechende Person ange-
passt sein - mit einem Sitzwinkel größer
90 Grad. Außerdem sollte die gesamte
Sitzfläche besetzt werden. Mit Sicherheit
gibt es nicht einen Stuhl für alle. Nutzer
täten gut daran, verschiedene Stühle aus-
zuprobieren und sie nicht nur nach Be-
quemlichkeit zu bewerten.
Interview: Charlotte Lisador
Foto: Personal Süd