WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 6/2017 - page 48

messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
06_2017
könne“, so Töpfer, die sich für eine mög-
lichst schnelle Digitalisierung der Deut-
schen Wirtschaft aussprach, aber gleich-
zeitig auch die Chefs dazu aufrief, ihren
Mitarbeitern nach Möglichkeit etwas Zeit
einzuräumen, um digitale Fähigkeiten zu
entwickeln.
Dass man unter solchen Bedingungen
aber nicht so lange warten kann, bis
Workshops in einem Seminarhotel orga-
nisiert sind, hätte auf der Messe noch in
großem Rahmen vertieft werden müssen.
Es blieb aber in diesem Jahr noch ein In-
sider-Thema auf der kleinen E-Learning-
Bühne, die offiziell den Titel „Forum Cor-
porate Learning and Working“ trug. Im-
merhin war hier Dr. Christoph Meier vom
Swiss Center for Innovations in Learning
zu Gast, der die digitale Transformation
des Lernens und der Personalentwicklung
skizzierte.
Immerhin gab es eine gewisse Anzahl
von Vorträgen, die sich mit moderner
Organisationsentwicklung befassten. Dr.
Uwe Schirmer, Leitender Direktor, und
Ruth Schulze, Senior Expert Beschäfti-
gungsbedingungen, beide von der Robert
Bosch GmbH, berichteten über Wege
zum selbstorganisierten Team. Schirmer
ist überzeugt, dass Selbstorganisation
insbesondere in den Bereichen sinnvoll
ist, in denen gestaltet wird – im Gegen-
satz zu ausführenden Bereichen. Diese
Unterscheidung sei für ein Unternehmen
wie Bosch wichtig, denn der größte Teil
der Mitarbeiter arbeite in der Produktion.
Aber auch innerhalb eines gestaltenden
Bereichs gäbe es Unterschiede. Manche
Bereiche hätten klare langfristige Ziele
und benötigten tiefer gehendes Fachwis-
sen und eine stabile Personalbesetzung.
In solchen Bereichen sei eine klassische
Organisationsform nach wie vor von Vor-
teil. „Nur weil es Bereiche gibt, wo eine
vernetzte Organisationsstruktur nicht
sinnvoll ist, heißt es nicht, dass alles
beim Alten bleibt. Die Führungskraft
muss ihr Verständnis verändern hin zu
partizipativer Führung“, berichtete Schir-
mer. Selbstorganisation verlange Mut
sowohl von der Führungskraft als auch
vom Team. „Im Zentrum steht, dass wir
unsere Regeln selbst gestalten. Selbst­
organisation kann schnell missverstan-
den werden“, ergänzte Ruth Schulze. „Es
bedeutet sehr viel Disziplin und Klarheit
von Regeln und nicht, jeder macht nur
das, was er will.“
Wichtiges Organisationsprinzip
heißt „Vertrauen“
„Je virtueller unsere Welt wird, desto
mehr wird Vertrauen zum Organisati-
onsprinzip der Stunde“, betonte Ma-
nagementexperte Dr. Reinhard K. Spren-
ger in seiner Keynote. Er forderte das
Topmanagement dazu auf, Freiräume
zu schaffen und Kontrollsysteme zu be-
seitigen. Vertrauen verpflichte in einem
viel höheren Maße als andere Anreizsys-
teme wie etwa Macht oder Geld. „Wenn
sie mit jemandem zusammenarbeiten,
dann sollten sie ihm vertrauen. Wenn sie
ihm nicht vertrauen wollen, arbeiten sie
besser nicht mit ihm zusammen. Es gibt
keinen dritten Weg“, betonte Sprenger.
Für Mitarbeiter realisiere sich das Prinzip
Vertrauen in der Reaktion der Führungs-
kraft auf einen Fehler. „Die Diskussion
um Fehler-machen-dürfen ist eine Retro-
Diskussion“, so Sprenger. Er rät statt von
Auf beiden Personaler-Events gab es
parallel zum Messetrubel eine Vielzahl
von Vorträgen und Diskussionsforen. In
diesem Jahr entstand der Eindruck, dass
Recruiting-Themen die Überhand hatten.
Insbesondere auf den großen, zentra-
len Foren ging es mehr um Arbeitgeber­
attraktivität, Personalmarketing und die
Kennzahlen von erfolgreichen Recruiting-
Prozessen und weniger um moderne For-
men der Führungskräfteentwicklung und
der gezielten Förderung der vorhandenen
Belegschaft.
In den USA ist es offenbar ganz selbstver-
ständlich, dass Talentmanagement Recru-
iting bedeutet und nicht Weiterbildung.
Carolin Desirée Töpfer, Keynote Speake-
rin zum Thema „Digitalisierung“, schil-
derte eines ihrer irritierenden Erlebnisse
aus dem Silicon Valley so: Sie habe den
Personalchef eines Start-ups gefragt, wie
die Mitarbeiter geschult würden, wenn
sie wegen des starken Wachstums plötz-
lich neues Wissen benötigten. Der Perso-
nalchef habe trocken entgegnet, wenn er
Mitarbeiter mit bestimmten Kompetenzen
benötige, würde er sie einstellen (nach-
dem er die überflüssig gewordenen Teile
der Belegschaft gefeuert habe).
Digitalisierung nicht gegen die
Belegschaft
Jedes Unternehmen werde geprägt durch
die Menschen, die in ihm arbeiteten, em-
pörte sich Töpfer über dieses Vorgehen
und warnte davor, dass so nie eine trag-
fähige Unternehmenskultur entstehen
könne. „Jeder Mensch benötigt Angebote
vonseiten seines Arbeitgebers, damit er
sich mit dem Neuen auseinandersetzen
Digitalisierung bedeutet mehr
als besseres Recruiting
PERSONAL NORD/SÜD.
Die Messe „Personal Nord“, die im April in Hamburg stattfand,
meldete in diesem Jahr 4.022 Besucher (plus 0,6 Prozent im Vergleich zu 2016) und die
Messe „Personal Süd“ in Stuttgart kam im Mai zusammen mit der integrierten „Corporate
Health Convention“ auf 7.473 Besucher (plus 3,6 Prozent im Vergleich zu 2016).
Fotos: Pichler
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