wirtschaft und weiterbildung 3/2017 - page 34

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
03_2017
Unternehmen und Hochschule im Team
aktualisierte Curricula erarbeiten, um
zum Beispiel Bachelor-Absolventen be-
rufsbegleitend den Master anzubieten.
Bisher mussten Bachelorabsolventen
meistens kündigen, um zwei Jahre ein
Studium zum Master durchzuführen.
Sie fehlten dem Unternehmen und ob sie
nach dem Studium wiederkehrten, war
unsicher. Für die Führungskraft werden
ebenfalls Veränderungen notwendig sein.
Sie wird sich zukünftig als Change Lea-
der verstehen müssen, wobei die Motiva-
tion und Befähigung der Mitarbeiter für
Industrie 4.0 im Vordergrund steht. Eine
berufsbegleitende Qualifizierung oder
ein berufsbegleitendes Aufbaustudium
MBA sollte dabei ins Auge gefasst wer-
den. Auch hier sollten Unternehmen und
Hochschulen gemeinsam rechtzeitig Pro-
gramme entwickeln. Bei allen Bildungs-
initiativen zu Industrie 4.0 wird verstärkt
die Eigeninitiative der Mitarbeiter zum
Erlernen von Know-how besonders ge-
fragt sein.
Endlich Scheu vor der
Digitalisierung überwinden
Verständlicherweise verspüren heute
Mitarbeitende Unsicherheit, wenn nicht
sogar Angst, ihren Job zu verlieren. Das
ist ungerechtfertigt. Die Demografie stellt
uns vor die Herausforderung, dass wir bis
2030 rund 25 Prozent weniger Menschen
in Arbeit haben werden. Schon um das
abzufangen, benötigen wir die Digitali-
sierung und Industrie 4.0. Arbeitszeit-
modelle und Arbeitsorte werden flexibler
werden müssen. Für Generation Y und
die Digital Natives ist das kein schwie-
riges Thema, für Generation X jedoch
schon. Wir müssen unsere Mitarbeiten-
den motivieren, ja begeistern, neue Pfade
in Richtung Digitalisierung zu gehen.
Das Sagen in der weltweiten Wirtschaft
haben heute bereits Unternehmen der
Digitalisierung wie Google und Apple,
die wertvollsten Unternehmen der Welt.
Und diese Digitalunternehmen gehen
den Weg, nun mechanische Themen zu
vereinnahmen. So bauen beide Unterneh-
men selbstfahrende Elektroautos. Hier
stehen nicht die deutschen Autopremi-
ummarken an vorderster Front. Daten
sind das Öl von morgen.
Gerade wir Deutschen sollten unsere
Scheu vor neuer Technologie überwin-
den. Der MP3-Player ist in Deutschland
entworfen worden, produziert und er-
folgreich gemacht wurde er im Ausland.
Oder die Magnetschwebebahn, keine
Emission, schnell von einem Ort zum
anderen, kam nicht in Deutschland zum
Tragen. Wir sollten wieder mehr Spirit
entwickeln, um neue Wege zu beschrei-
ten und den Start-up-Gedanken mehr auf-
zunehmen. Christoph Kolumbus verließ
die Santa Maria, um Amerika zu betreten.
Er kannte nicht die Risiken und Gefahren
durch wilde Tiere, feindliche Menschen
und gefährliche Krankheiten. Er hat es
trotzdem gemacht, vom Spirit angetrie-
ben, neue Welten kennenzulernen. Neil
Armstrong betrat 1969 als erster Mensch
den Mond, ohne alle Risiken von vornhe-
rein zu kennen. „Ein kleiner Schritt für
einen Menschen, ein großer Schritt für
die Menschheit.“ Wir sollten mehr von
diesem Spirit und Mut beseelt sein.
Fallbeispiel: Phoenix Contact
Wie kann man nun als Manager diesen
Spirit in die Belegschaft bringen und
Unsicherheit reduzieren? Die drei wich-
tigsten Maßnahmen sind: informieren,
informieren, informieren. Gerade wenn
man das Ziel nicht formulieren kann,
muss man über jeden Schritt, den man
in Richtung Digitalisierung macht, infor-
mieren. Wenn Mitarbeitende unsicher
sind, fragen sie nicht das Management,
sondern sprechen den Betriebsrat an.
Daher ist wichtig, ihn sehr früh ins Boot
zu holen. Als Geschäftsführer für Human
Resources diskutiere ich im Schnitt alle
zwei Wochen die Entwicklungen in Rich-
tung Industrie 4.0 und Arbeitswelt 4.0 mit
den Betriebsratsverantwortlichen unserer
Standorte in Blomberg und Bad Pyrmont.
So kennen sie alle Schritte, die wir ge-
meinsam als Nächstes vorhaben. Dabei
ist es ausgesprochen wichtig, Vertrauen
zu gewinnen und zu geben. Das kommt
nur zustande, wenn das HR-Management
redet, wie es handelt und handelt, wie
es redet. Wenn Mitarbeitende dann den
Betriebsrat ansprechen, kann er jederzeit
Antworten geben und Unsicherheiten
oder gar Ängste reduzieren. Industrie-4.0-
Projekte werden bei Phoenix Contact zu-
sammen mit Betriebsrat und IGM durch-
geführt. Solch eine Offenheit erzeugt Ver-
trauen in die gemeinsame Zukunft. Für
die Mitarbeitenden wurde eine Präambel
definiert, die ihnen Sicherheit für ihren
Arbeitsplatz und für ihre Zukunft geben
soll:
„Phoenix Contact begreift Industrie 4.0 als
ein wichtiges Zukunftsprojekt, das sowohl
Perspektiven für Mitarbeiter als auch für
nachhaltiges Unternehmenswachstum
bietet. Als Grundlage hierfür beabsichtigt
Phoenix Contact in Zusammenarbeit mit
Gewerkschaft und Betriebsrat Rahmenbe-
dingungen zu schaffen, die diese Perspek-
tiven eröffnen und fördern. Neben Aus-
bildung und Qualifizierung sind damit
insbesondere auch flexible und sichere
Arbeitsbedingungen gemeint, die uns
Raum für Wachstum und Innovation er-
möglichen.“
Belegschaftsversammlungen werden von
der HR-Geschäftsführung regelmäßig ge-
nutzt, um die Mitarbeitenden über die
Fortschritte zu informieren, die das Unter-
nehmen auf dem Weg zur Digitalisierung
macht. Darüber hinaus werden den Mit-
arbeitern Podcasts zur Verfügung gestellt,
in denen die Geschäftsführung ebenfalls
regelmäßig Information weitergibt, die
die Partizipation der Mitarbeitenden er-
möglicht. Bei all diesen Aktionen haben
wir uns darüber gefreut, dass der Arbeit-
geberverband Metall NRW und die IGM
NRW Phoenix Contact als Vorbild für eine
erfolgreiche Industrie-4.0-Einführung in
einem Video präsentiert. Das alles führt
dazu, dass wir unsere Mitarbeitenden für
die Zukunft der Industrie 4.0 begeistern
können und dass wir gemeinsam unsere
Zukunft erfolgreich gestalten.
Gunther Olesch
R
„Mit Gewerkschaft und Betriebsrat Rahmenbedingun­
gen schaffen, die neue Perspektiven für Mitarbeiter
und Wachstum eröffnen.“
Phoenix-Contact-Präambel
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