personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
03_2017
gang mit wiederkehrenden Oberflächen
und Bedienmuster. In Anlehnung an den
Europass heißt das zum Beispiel: Die Mit-
arbeiter können mit einer Suchmaschine
relevante Informationen recherchieren
oder einfache Maßnahmen ergreifen, um
ihre Geräte zu schützen; etwa mit Anti-
Viren-Programmen.
Auf der zweiten Stufe steht hingegen, wer
Anwendungen selbst konfigurieren oder
anpassen lassen kann. Dafür ist ein tiefe-
res IT-Verständnis notwendig. Menschen
auf dieser Stufe wissen zum Beispiel, wel-
che Möglichkeiten verschiedene Anwen-
dungen bieten und was passiert, wenn
die Einstellungen verändert werden. In
Organisationen sind die entsprechenden
Fähigkeiten beispielsweise dann gefragt,
wenn es um den Vertrieb von Software
oder um digitale Prozesse im Allgemei-
nen geht. Ins Spiel kommen dann die
Fragen nach den Grenzen des Machbaren
und dem Verhältnis von Aufwand und
Ergebnis. Digital kompetente Mitarbeiter
können besipielsweise verständliche An-
forderungen an Software definieren oder
eigene Strategien erarbeiten, um die
Sichtbarkeit des Unternehmens in den so-
zialen Netzwerken zu erhöhen.
Die dritte Stufe erreicht wiederum, wer
selbst Anwendungen entwickeln kann.
Hier steht die konkrete technische Umset-
zung im Vordergrund. Notwendig sind oft
Kenntnisse in Programmiersprachen oder
Fachwissen im Bereich IT-Architektur.
Menschen auf diesem Kompetenzniveau
können beispielsweise Infrastrukturan-
forderungen selbstständig bestimmen
und eigene Anwendungen mithilfe einer
Programmiersprache erstellen.
Digitale Organisation
In vielen Organisationen haben Compu-
ter die Kommunikation völlig verändert.
Technisch bedeutet das zunächst die
Nutzung neuer Medien und Kommuni-
kationssysteme wie E-Mail, Wikis, Blogs
oder Ticketing-Systeme. Damit ergeben
sich neue Strukturen in den Abläufen,
andere Gesprächskulturen und verän-
derte Gepflogenheiten. Zugleich nehmen
Organisationen ihr Umfeld zunehmend
als „disruptiv“, schnelllebig und unsicher
wahr. Viele Unternehmen reagieren da
rauf mit neuen Organisationsformen und
Methoden. Einige aktuelle Beispiele dafür
sind etwa Scrum, Feedback-Instrumente
oder Holocracy — sie befördern die Ver-
änderung und fluide Formen des Organi-
sierens.
Digitalkompetenz im Kontext der Orga-
nisation beschreibt somit den Grad, mit
dem die Organiation selbst gestaltet wer-
den kann — nicht nur von Führungskräf-
ten, sondern von allen Mitarbeitern.
Mitarbeiter auf der ersten Stufe der Digi-
talkompetenz können sich an der digita-
len Kommunikation beteiligen. Sie nutzen
E-Mail, Chat und Videokonferenzen oder
bringen sich aktiv im Enterprise Social
Network ein. Zudem kennen sie die An-
forderungen und Formen neuer Arbeits-
organisation, wie etwa Jobsharing, Objec-
tive Key Results oder agiles Arbeiten.
Bei Stufe zwei geht es hingegen ums ak-
tive Anwenden: Die Mitarbeiter setzen
neue Methoden aktiv ein, geben regelmä-
ßig Feedback und fordern es selbst ein.
Sie verstehen es als zentrale Aufgabe,
Mitarbeitern und Kollegen Freiräume und
Ressourcen für die Bewältigung ihrer Auf-
gaben bereitzustellen.
Die Mitarbeiter auf der dritten und letz-
ten Stufe nutzen bewusst Instrumente,
um organisationale Veränderungen wahr-
scheinlicher zu machen. Sie experimen-
tieren aktiv mit neuen Methoden der
Selbststeuerung, Entscheidungsfindung
und Zusammenarbeit. Zudem wählen
sie bewusst Methoden und Tools aus, um
sowohl die eigene wie auch die Lernfä-
higkeit der Organisation zu erhöhen. In
dieser Lesart stellt sich die Frage, welche
Aufgabe der Führung im Digitalzeitalter
zukommt. Diese Diskussion wird heute
unter dem Schlagwort „Digital Leader-
ship“ intensiv geführt. Doch es wird nicht
nur geredet; es gibt bereits konkrete Pra-
xisbeispiele. So setzt etwa die Daimler AG
einen Schwerpunkt auf Selbstverantwor-
tung. Stephan Limpächer, der Leiter der
Personalentwicklung der Daimler Kon-
zernforschung, beschreibt die Zielsetzung
folgendermaßen: „Entscheidungen sollen
dorthin zurück, wo sie hingehören: in die
Ebenen, die nah an Produkt und Geschäft
sind.“ Dieser Ansatz findet sich auch in
der Führungskräfteentwicklung wieder,
berichtet Limpächer weiter: „Wir schaf-
fen Angebote, die Führungskräften dabei
helfen, sowohl mehr Verantwortung zu
übernehmen als auch bewusst an ihre
Mitarbeiter abzugeben.“
Digitale Märkte
Mit der Digitalisierung verändern sich
auch die Distributionsketten und Wert-
schöpfungsprozesse. Das betrifft nicht
nur Kommunikationskanäle wie Online-
Marketing oder neue Trägermedien —
zum Beispiel den E-Reader anstelle des
Buchs. Die Digitalisierung verändert
ebenso die Methoden und das Mindset,
mit denen Organisationen diese Angebote
gestalten. Die Ausrichtung am Kunden
bleibt dabei essenziell: Der Zugang zu
Konkurrenzprodukten ist dank der Com-
puter nun einfacher, ein überzeugendes
Angebot also umso wichtiger.
Auch diese Veränderungen im Markt
sorgen für Rückkopplung in der Organi-
sation. Und so kann der Grad der Digi-
talkompetenz ebenfalls beschreiben, wie
schnell es Organisationen gelingt, Kun-
denbedürfnisse in einem sich wandeln-
den Marktumfeld zu befriedigen.
Organisationen auf der ersten Stufe nut-
zen neue Formen der Interaktion mit
Kunden sowie Optimierungspotenziale in
Geschäftsabläufen. Das Credo dabei: Wir
verwenden digitale Instrumente, um mit
unseren Kunden in Kontakt zu bleiben.
Wir optimieren unsere Prozesse durch
den Einsatz von Computern.
Organisationen auf Stufe zwei gestalten
ihr Leistungsangebot punktuell durch
R
Patrick Hypscher
ist Gründer und
G e s c h ä f t s f ü h -
rer der Skill Hero
GmbH. Er hat Wirt-
schaftswissenschaften an der Univer-
sität Witten/Herdecke sowie Wissen-
schaftstheorie an der London School
of Economics studiert und war zuletzt
für Arvato Bertelsmann tätig.
Skill Hero GmbH
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