wirtschaft und weiterbildung 3/2017 - page 25

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wirtschaft + weiterbildung
03_2017
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Wie stehen deutsche Personaler im Ver-
gleich mit ihren internationalen Kollegen
da? Aktuelle Antworten auf diese Frage
liefert die achte Ausgabe der sogenannten
„Cranet“-Studie, die Erhebung des „Cran-
field Network on International Strategic
Human Resource Management“, aus dem
Jahr 2015/2016. Die Studie ist die größte
internationale HR-Studie. Durchgeführt
wird sie von einem Forschungsnetzwerk
von mehr als 40 Universitäten und Busi-
ness Schools mit jeweils einem Vertreter
für jedes teilnehmende Land.
Die Forscher haben neben allgemeinen
Daten zur Personalarbeit auch speziell
Daten zur Personalentwicklung in deut-
schen und internationalen Unternehmen
erhoben und ausgewertet. Wir stellen
Ergebnisse vor, die zeigen, wie deutsche
Personalentwickler bei Planung und
Durchsteuerung von Weiterbildungsmaß-
nahmen vorgehen und wie sie sich dabei
noch verbessern könnten.
Ein erster, gut messbarer Faktor bei der
Bewertung von Personalentwicklungs-
aktivitäten, den die Forscher ausgewer-
tet haben, ist die Investition in Weiter-
bildungsmaßnahmen. Was lassen sich
deutsche Firmen also die Weiterbildung
ihrer Mitarbeiter kosten? Die Antwort,
die die Cranet-Studie gibt, ist: Im Jahr
2015 investierten deutsche Unternehmen
3,1 Prozent der jährlichen Lohn- und
Gehaltssumme in die Aus- und Weiter-
bildung ihrer Mitarbeiter. Das bedeutet
einen leichten Rückgang im Vergleich
zur Cranet-Studie aus dem Jahr 2009,
als der Prozentsatz noch bei 3,6 Prozent
lag. Damit befindet sich Deutschland
zurzeit ungefähr auf dem Niveau der an-
deren beiden DACH-Länder Österreich
und Schweiz. Im Vergleich mit anderen
Ländern – die Forscher werteten neben
den DACH-Staaten auch die Ergebnisse
aus Großbritannien, USA, Schweden,
Griechenland, Finnland und Spanien aus
– liegt Deutschland jedoch bei den Wei-
terbildungskosten nur im unteren Mit-
telfeld. In Ländern wie Großbritannien
(4,5 Prozent), den USA (4,1 Prozent) und
Schweden (3,5 Prozent) wird mehr in die
Weiterbildung der Mitarbeiter investiert.
Nun ist die Investitionshöhe natürlich
nicht das einzige Kriterium für eine er-
folgreiche betriebliche Weiterbildung
und sagt noch nichts über die Effizienz
der Weiterbildung aus. Allerdings, so ein
weiteres Ergebnis der aktuellen Cranet-
Studie, erfassen 43 Prozent der deutschen
Unternehmen die Effizienz ihrer Weiter-
bildungsmaßnahmen erst gar nicht. Be-
sonders erschwerend kommt hinzu, dass
auch eine umfassende Strategie in vielen
deutschen Unternehmen fehlt: Nur knapp
jedes zweite deutsche Unternehmen ver-
fügt demnach überhaupt über eine Perso-
nalentwicklungsstrategie.
Evaluation per „Happy Sheet“
Wer in Deutschland den Weiterbildungs-
erfolg misst, tut dies meist per Zufrieden-
heitsbewertung direkt nach der Schu-
lung. „Die meisten, nämlich 93 Prozent
der Befragten, lassen die Teilnehmer nach
einem schönen Seminarausklang mit Ka-
minabend ein ‚Happy Sheet‘ ausfüllen.
Oft bewerten dann die Teilnehmer in
einer solchen Situation ein Wohlfühlpa-
ket aus fachlicher Inspiration und Ambi-
ente“, kritisiert der deutsche Cranet-Re-
präsentant Professor Rüdiger Kabst von
der Universität Paderborn diese Methode.
Das sei zwar besser als nichts, aber zur
Qualitätsmessung sei die Methode unge-
eignet, da nicht valide. „Vielmehr müss-
ten Verhaltensänderungen im Zeitlauf
erfasst werden, etwa, wie die Arbeits-
leistung der Seminarteilnehmer einige
Monate vor der Weiterbildung war und
wie sie einige Monate danach ist“, so
Kabst. „Das machen bislang aber nur 26
Prozent, 14 Prozent messen die Arbeits-
leistung vor und direkt nach der Weiter-
bildung.“ Der Return on Investment von
Weiterbildungen wird nach wie vor noch
von den wenigsten erfasst, nämlich nur
von jedem Zehnten. Dieses Defizit be-
obachten die Cranet-Autoren nicht erst
seit gestern. „Cranet-Daten liegen uns ab
1989/1990 vor. In den seither vergange-
nen Jahrzehnten wurde immer wieder
diskutiert, wie HR seinen Mehrwert be-
weisen kann“, kommentiert Kabst. „Doch
die Ergebnisse dazu, wie etwa der Nutzen
von Weiterbildung evaluiert wird, sind
damals wie heute ernüchternd.“
Auch bei der Durchführung eines syste-
matischen Talent Managements dürfte so
manche deutsche Personalabteilung noch
Nachholbedarf haben. Zwar geben im-
merhin 60 Prozent der Unternehmen an,
dem Fachkräftemangel Talent Manage-
ment entgegenzusetzen. Allerdings legten
die Wissenschaftler bei dieser Frage eine
sehr breite Definition des Begriffs „Talent
Management“ zugrunde: Darunter fallen
in der Befragung „alle Aktivitäten, die auf
die Attraktion, Entwicklung, den Einsatz,
und den Erhalt von Talenten abzielen“ –
also nicht nur systematische Talent-Stra-
tegien, sondern auch Einzelaktionen.
Welche Talent-Management-Maßnahmen
sind demnach in deutschen Unternehmen
am beliebtesten? Die meisten, die von
sich behaupten, Talent Management zu
betreiben, setzen bei der Karriereentwick-
lung auf Spezialaufgaben (98 Prozent),
Networking (90 Prozent), Coaching (88
Prozent) und Mentoring (81 Prozent).
„Das sind zwar nicht notwendigerweise
Talent-Management-spezifische Maß-
nahmen“, schreiben die Studienautoren
dazu. „Unternehmen, die Talent Ma-
nagement betreiben, setzen diese jedoch
signifikant häufiger ein als andere Unter-
nehmen.“ Drei Viertel der Unternehmen
setzen daneben auf High-Potential-Pro-
gramme, also Talent Management im en-
geren Sinne, so eine weitere Erkenntnis.
Weniger häufig genutzt werden Kar-
rieremaßnahmen wie systematisches
E-Learning, Laufbahnpläne, Entwick-
lungszentren und Job-Rotation. (Mehr
dazu lesen Sie im Interview mit Rüdiger
Kabst auf Seite 27.)
Die Studienautoren bewerten es jedoch
als weniger wichtig, welche Praktiken im
Talent Management konkret angewandt
werden – sondern vielmehr, inwiefern
das Top-Management an der Umsetzung
von Talent Management beteiligt ist.
„Wenn Top-Management-Support in HR-
Angelegenheiten bereits im Allgemeinen
nützlich ist, um HR-Praktiken so wie vom
Personalmanagement intendiert imple-
mentieren zu können, so ist Top-Manage-
ment-Support für Talent Management un-
erlässlich“, so das Fazit der Autoren.
Feedback: selten „bottom up“
Zu einem systematischen Talent Manage-
ment gehört es auch, die Leistung der Ta-
lente regelmäßig zu erfassen und weitere
Entwicklungsmaßnahmen darauf abzu-
stimmen. Wie es diesbezüglich in deut-
schen Unternehmen aussieht, haben die
Foto: everythingpossible / AdobeStock
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