wirtschaft und weiterbildung 3/2017 - page 18

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
03_2017
ten ihn bewundern – egal, ob sie Erfolg
versprechende Antworten auf Sachfra­
gen hatten oder nicht. Der Chef wollte
von den Beratern ohnehin nie die
Wahrheit hören, sondern nur Bewun­
derung, die seinem eigenen Wohlbefin­
den nützte.
• ein sehr großes Talent hatte, seine ei­
genen Vorgesetzten für sich einzuneh­
men, weil er sich auf Knopfdruck von
seiner besten Seite zeigen konnte und
immer bereit war, politische Spielchen
(mit-)zuspielen.
Dass diese Beispiele aus dem täglichen
Wirtschaftsleben mit dem Phänomen
„Narzissmus“ zusamenhängen, erkennt
man, wenn man sich die folgenden bei­
den Beispiele „realen“ Narzissmus an­
schaut und anschließend liest, wie Psy­
chologen den Narzissmus erklären.
Vorzeige-Narzissten: Jürgen
Schrempp und Richard Fuld
Als ein „Vorzeige-Narzisst“ gilt Jürgen
E. Schrempp. Er wurde 1995 zum Vor­
standsvorsitzenden der Daimler-Benz AG
ernannt und leitete drei Jahre später den
Zusammenschluss von Daimler-Benz und
Chrysler ein. Hinzu kamen Beteiligungen
an Mitsubishi und Hyundai. Seine Vision
von Daimler-Benz als dem größten Au­
tobauer der Welt erwies sich als wenig
erfolgreich, weshalb er 2005 freiwillig sei­
nen Posten räumte. Der Aufsichtsrat ver­
abschiedete ihn ohne besondere Danksa­
gung. Nach dem Zusammenschluss von
Daimler mit Chrysler sagte Schrempp:
„Das wird eines der innovativsten Unter­
nehmen, das die Welt je gesehen hat …
und eines der rentabelsten.“ Schrempp
(„Rambo in Nadelstreifen“) inszenierte
sich als Macher, der immerzu davon
sprach, den Deutschen fehle eine „win­
ning culture“. Er pflegte Seilschaften. Kri­
tiker wurden rücksichtslos entlassen. Er
hatte durchaus Humor, aber nur so lange,
wie man über seine Witze lachte. Die
Fusion mit Chrysler wurde 2007 wieder
aufgelöst.
Ein anderer berühmter Business-Narzisst
war Richard S. Fuld, der Vorstandschef
der Investmentbank Lehman Brothers,
die 2008 Insolvenz anmeldete und damit
die schwerste Wirtschaftskrise nach dem
zweiten Weltkrieg einleitete. Fuller hatte
den Spitznamen „Gorilla“, weil er oft
ausrastete und seine Mitarbeiter laut an­
brüllte. Internen Kritikern soll er gedroht
haben, das Herz bei lebendigem Leib aus
dem Körper zu reißen. Angesprochen
auf die Pleite seiner Bank, klagte er über
die extremen Belastungen, die er selbst
im Vorfeld der Pleite habe durchmachen
müssen und gab der Zentralbank die
Schuld an der Insolvenz. Er selbst über­
nahm keine Verantwortung für irgend­
etwas. Experten vermuten, dass Fuld Leh­
man Brothers durch den Verkauf an eine
andere Bank wahrscheinlich hätte retten
können, dies aber nicht tat, weil ein Ver­
kauf in seinen Augen einem Schuldeinge­
ständnis gleichgekommen wäre.
So entsteht Narzissmus
Schon kleine Kinder spüren es deutlich,
wenn sich ihre Eltern nicht wirklich für
sie interessieren. Den Kindern wird vor­
geschrieben, wie sie zu sein haben, aber
keiner achtet darauf, wie sie wirklich sind
und welche ureigensten Bedürfnisse sie
haben. Bei den Kleinen entsteht dann
sehr schnell der Eindruck, nicht gut
genug für die Eltern zu sein. Ein Beispiel:
Eine Mutter sagt zu ihrer kleinen Tochter:
04.
„Mir ist das Beste gerade
schlecht genug.“
Curd Jürgens
05.
„Meine Untertanen sollen ein-
fach tun, was ich ihnen sage.“
Kaiser Wilhelm II.
06.
„Vielleicht hassen sie mich alle,
weil ich viel zu gut bin.“
Cristiano Ronaldo
R
den Medien steht. Fast jeder Berufstätige
(ganz egal, ob er im Mittelstand oder in
einem Konzern arbeitet) kann von einem
Chef berichten, der ...
• in Meetings Bedenken gegen seine
Vorschläge einfach überhörte und die
hartnäckigeren unter den Kritikern als
„Schiffschaukelbremser“ und Außen­
seiter lächerlich machte. Wenn später
dann doch Misserfolge eintraten, wur­
den diese vom Chef bagatellisiert nach
dem Motto: „Was interessiert mich die
Gegenwart, wenn mir die Zukunft ge­
hört“.
• in Meetings laut zu brüllen anfing,
wenn einer von „Problemen“ redete,
obwohl der Chef alle dazu verdonnert
hatte, nur noch von „Herausforde­
rungen“ zu sprechen.
• in wichtigen Berichten an den obersten
Vorstand oder die Zentrale „schlechte
Zahlen“ frisieren ließ, weil man
schlechte Zahlen höheren Orts einfach
nicht glauben würde und sie deshalb
einfach ein wenig „glaubwürdiger“ ge­
macht werden müssten.
• plötzlich den Kontakt zu einem engen
Mitarbeiter abbrach (eventuell für des­
sen Entlassung sorgte), weil dieser ihm
widersprach. So jemand wurde sofort
dem „feindlichen Lager“ zugerechnet.
• falsche Anschuldigungen erhob, um
einem anderen den Misserfolg für ein
Projekt anzuhängen.
• durchaus sehr charmant und manipu­
lativ sein konnte, wenn es darum ging,
anderen Zusatzarbeiten aufs Auge
zu drücken. Der später aber keinerlei
Dankbarkeit erkennen ließ, weil man
so einem bedeutenden Mann wie ihm
einfach zuarbeiten musste.
• äußerst empfänglich war für Schmei­
cheleien. Selbst externe Berater muss
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