personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
06_2016
rale Punkte sind hier die Förderung von
Zusammenarbeit, die Gestaltung von
Entscheidungen, die Nutzung des Wis-
sens der vielen und das Erkennen von
Chancen und Möglichkeiten. Es geht
um eine Kultur der Auseinandersetzung,
damit Neues entstehen kann. Der von der
Start-up-Bewegung etablierte Loop „build
– measure – learn“ ist mittlerweile auch
weltweit in den Konzernen angekommen.
Die Aufgabe von Führung besteht im We-
sentlichen darin, Rahmenbedingungen
zu schaffen, die Entdeckungen belohnen,
Widerspruch wertschätzen und Fehler
zulassen.
2.
Communication:
Die Führungskräfte
sprechen mit den Mitarbeitern und nicht
zu ihnen. Die Beschäftigten nehmen aktiv
teil an der Gesamtkommunikation und es
gibt eine klare und bekannte Kommuni-
kationsagenda. Die täglichen Stand-up-
Meetings, die kurzen Treffen in Form von
Daily Scrums, der Austausch über Instant
Messaging und die vielen Gespräche auf
dem Flur, in Sitzecken und beim Früh-
stück sind Musterbeispiele für eine neue
Art organisationaler Kommunikation. Die
Aufgabe der Führung ist es, echte Kom-
munikation stattfinden zu lassen. Dazu
gehört auch, dass Führungskräfte sich
selbst immer wieder als Person zur Verfü-
gung stellen. Es geht um die Ambivalenz,
als Person sichtbar zu werden, sich aber
nicht als Einzelplayer oder gar Held in
Szene zu setzen. Gleichzeitig muss Füh-
rung dafür sorgen, dass die Kommunika-
tion nicht zur Überlastung führt und die
Mitarbeiter es gar nicht merken, wie sie
langsam ausbrennen.
3.
Consensus:
Das ist der Prozess der Aus-
einandersetzung um die beste Idee. Es
geht darum, aus den verschiedenen Pers-
pektiven eine gemeinsame dritte Position
zu finden, die dann tragfähig ist. Daraus
entstehen neue Ideen, neue Produkte,
neue Ansätze. Aber es braucht eine Kul-
tur der Auseinandersetzung und keine
Kultur der Kompromisse. Konsens bedeu-
tet dann, aus der Auseinandersetzung he-
raus eine gemeinsame Lösung zu finden.
Wichtig ist, dass Kommunikation ent
hierarchisiert wird. Sie findet in den sozi-
alen Netzwerken statt, ist nicht mehr von
einer Position aus steuerbar und wird zur
zentralen Ressource von Führung. Diese
setzt dann auf die Förderung der Ausein-
andersetzung, die Ausgestaltung der Are-
nen für Argumente und die Gestaltung
der Entscheidungsprozesse. Diese Ent-
wicklung rüttelt sehr am Selbstverständ-
nis von Führungskräften. Die Autorinnen
sind sich sicher: „Es ist diese Kultur der
Auseinandersetzung, die ein anderes Ent-
scheidungsverhalten befördert. Wenn das
beste Argument zählt, verschiedene Pers-
pektiven integriert werden, dann braucht
es auch für das Treffen von betrieblichen
Entscheidungen einen anderen Prozess.
Das gilt selbstverständlich nicht für jede
Entscheidung und nicht in jeder Situation
(zum Beispiel denke man an die Notwen-
digkeit des schnellen Handelns bei Ge-
fahr), aber als Grundmuster ist die offene,
kontroverse Diskussion fester Bestandteil
von Collaborative Leadership.“
4.
Contribution:
Hier geht es um den „Bei-
trag“, den man selbst zum großen Gan-
zen leistet. Nicht nur in Start-ups ist die
Suche nach dem Sinn spürbar. Ein ge-
sellschaftliches Thema wird zunehmend
relevant für Organisationen. Hier spielen
auch die sozialen Medien eine wichtige
Rolle. Führung muss dafür sorgen, dass
der Beitrag jedes Einzelnen tatsäch-
lich zum Ganzen beiträgt und nicht nur
Selbstzweck ist.
Hierarchien gewährleisten Orientierung,
Ordnung und Stabilität – zumindest so-
lange die Umwelt stabil bleibt. „Colla-
borative Leadership“ muss die vier ge-
nannten Dimensionen mit Leben erfüllen
– und das unter der Bedingung, dass die
Hierarchie als Koordinationsmaschine al-
lein nicht mehr funktioniert.
Ausblick: Führung ist ein Balanceakt, der
zunehmend kollaborativer werden wird.
Führungskräfte werden mit widersprüch-
lichen Anforderungen konfrontiert und
die Herausforderung besteht darin, diese
Anforderungen so zu gestalten, dass die
Gesamtorganisation trotzdem wirksam
handeln kann. Die beiden Autorinnen
der Studie machen in ihrem Ausblick da-
rauf aufmerksam, dass es durchaus Sinn
macht, die Aufmerksamkeit auf die Pro-
zesse zu lenken.
Glatzel: „Prozesse sind eine sehr wirk-
same Form, aus widersprüchlichen An-
forderungen Ergebnisse entstehen zu
lassen.“ Für einzelne Prozesse könne
die Widersprüchlichkeit nämlich gut
aufgelöst werden. Einer der befragten
Organisationsexperten gab zum Beispiel
zu Protokoll: „Durch den Arbeitsprozess
selber und zwar ausschließlich durch
den Arbeitsprozess kommt Orientierung
zustande.“ Eine einfache, aber wichtige
Frage, die Orientierung verleihe, sei zum
Beispiel: „An welchem Erfolgskriterium –
das kann Qualität des Produkts sein, das
kann die Zufriedenheit des Kunden sein,
das kann der sparsame Umgang mit Res-
sourcen sein – wird der jeweilige Arbeits-
schritt gemessen?“
Martin Pichler
R
Autorinnen.
Dr. Tania Lieckweg (rechts) und Dr. Katrin Glatzel beraten
Unternehmen, die sich dem Thema „Leading in the Digital Age“ stellen.
Beide Beraterinnen arbeiten für die Berliner Niederlassung der systemi-
schen Beratungsgesellschaft OSB international
Foto: Lars Hormann