WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 29

wirtschaft + weiterbildung
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kann. Auch dort können Firmen langfris-
tig nur erfolgreich sein, wenn sie Geld-
geber finden und irgendwann auch Ge-
winne machen. Tatsache ist, dass Daimler
in der Historie immer Vorreiter bei The-
men wie „Mobilität“ und „Sicherheit“
war. Wir haben das Auto erfunden und es
immer sicherer gemacht. Beispiele dafür
sind ABS, ESP oder die Sicherheitszelle
– diese Systeme wurden in unseren Fahr-
zeugen zuerst eingesetzt und sind später
Normen im Automobilbau geworden.
Die Digitalisierung verändert Daimler
wie die gesamte Automobilindustrie. Sie
verändert die Produktion, den Einkauf,
das Marketing, den Vertrieb. Gibt es
Bereiche, die besonders stark betroffen
sein werden?
Porth:
Wie bereits erwähnt, treiben wir
die Digitalisierung auf allen Ebenen
voran. Besonders stark im Fokus steht
derzeit der Vertrieb. Hier haben wir die
größte Schnittmenge zur digitalen Le-
benswelt unserer Kunden, zu Smart­
phones, Apps und Tablets. In unseren
neuen „Mercedes Me Stores“ erleben die
Besucher die Marke interaktiv: An digi-
talen Touch-Tablets können sie sich bei-
spielsweise ihr Wunschfahrzeug konfi-
gurieren. Wir haben gerade wieder einen
solchen „Mercedes Me Store“ in einem
Szeneviertel in Peking mit über 2.400
Quadratmeter Fläche eröffnet.
Der ehemalige Personalvorstand von
VW, Horst Neumann, hat vor einem Jahr
formuliert, dass bei VW die Hälfte der
hunderttausend Arbeitsplätze in der
Produktion durch die Digitalisierung
bedroht sind. Das wären dramatische
Veränderungen. Kommt so etwas auch
auf Daimler zu?
Porth:
Das ist mir viel zu negativ. Wir
sehen Digitalisierung als Chance und
nicht als Jobkiller. Es wird sicher zu
einer Verschiebung von Tätigkeitsinhal-
ten kommen, also weniger Mechanik
und mehr integrierte IT. Wir werden in
einigen Bereichen Arbeitsplätze verlie-
ren, in anderen Feldern aber neue Jobs
dazubekommen. Technologische Wei-
terentwicklungen waren für uns schon
immer Gelegenheiten, die wir nutzen und
nichts, was uns Sorgen macht. Klar ist:
Unsere Fabriken werden auch in Zukunft
nicht menschenleer sein. Der Mensch
wird immer im Mittelpunkt stehen – an
seine Flexibilität kommt keine Maschine
heran. Zudem gibt es eine Vielzahl ande-
rer Themen, die Einfluss auf die Beschäf-
tigungsentwicklung haben: Wachstum,
neue Märkte, neue Modelle, Effizienzstei-
gerungen.
Als Personalvorstand haben Sie die
Verantwortung für die längerfristige Per-
sonalplanung und stellen Szenarien auf,
wo Sie Personalzuwächse haben werden
und wo Personal verschwinden wird.
Porth:
Ja natürlich, eine vorausschauende
Personalplanung ist enorm wichtig. Für
alle Standorte gibt es strategische Planun-
gen: Welche Qualifikationen brauchen
wir? Welche Berufsbildung? Wie sieht die
Alterspyramide aus? Das wird dann ge-
spiegelt an den Volumenerwartungen, die
wir haben.
R
Wilfried Porth
ist Personal-
vorstand der Daimler AG und
Arbeitsdirektor sowie
verantwortlich für IT und
Mercedes-Benz Vans.
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