WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 22

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wirtschaft + weiterbildung
06_2016
R
Gesundheit (Bluthochdruck, Schlafstö-
rungen, Burn-out). Prümper: „Man muss
lernen, sich Grenzen zu setzen im Sinne
von: Sonntag ist Sonntag. Das ist die
größte Herausforderung.“
Mehr als die Hälfte der Studienteilneh-
mer (58 Prozent) meinen außerdem,
dass Arbeitnehmer noch mehr gefordert
sein werden, wenn es um kommunika-
tive Kompetenzen wie die schriftliche
und mündliche Ausdrucksfähigkeit geht.
Jeder zweite Befragte (49 Prozent) sieht
zusätzlich noch höhere oder viel höhere
Anforderungen an soziale Kompetenzen
auf die mobilen Arbeiter zukommen. Ge-
meint sind damit Fähigkeiten, konflikt-
fähig sowie teamfähig zu sein, Einfüh-
lungsvermögen zu haben oder Kunden­
orientierung zu leben.
Wie führt man eigentlich die
„Mobile Worker“?
Die Studie kann sehr genau zwischen der
Meinung der Geschäftsleitungsebene und
den Ansichten des Mittelmanagements
unterscheiden. In einem Fall ist das sehr
interessant: Es zeigt sich nämlich, dass
die Geschäftsführer in der Regel der An-
sicht sind, ihr Unternehmen sei sehr gut
für die neuen, mobilen Arbeitsformen
gerüstet. Das Mittelmanagement sieht
das weniger optimistisch. Dort herrscht
die Befürchtung vor, dass die Mobilen
schwer zu führen sein werden und dass
man keine Routinen finden werde, um
mögliche Drückeberger zu erkennen.
Prümper machte in der Diskussion mit
Journalisten darauf aufmerksam, dass in
vielen Unternehmen erst noch eine neue
Führungskultur entstehen müsse, die auf
Vertrauen aufbaue. Es käme künftig da-
rauf an, statt Anwesenheit die Zielerrei-
chung zu kontrollieren. Das bedeute für
viele Führungskräfte, dass selbst an sie
höhere Anforderungen gestellt würden.
Gemeinsam Ziele zu vereinbaren und
nachzuverfolgen werde auch für „klei-
nere“ Führungskräfte wichtiger. Falls
Ziele nicht erreicht würden, müssten
Chefs mehr denn je in der Lage sein, „aus
der Ferne“ unterstützend einzugreifen.
Prümper sieht in diesem Zusammenhang
„noch viel Nachholbedarf“ in der Wirt-
schaft. „Es gibt eine große Unsicherheit,
wie mir geschildert wird.“
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt übri-
gens in Paragraf fünf vor, dass jeder Ar-
beitgeber die Gefährdung zu ermitteln
habe, die von der Arbeit für die Beschäf-
tigten ausgehe. Für die traditionellen (sta-
tionären) Computerarbeitsplätze gibt es
solche Gefährdungsbeurteilungen längst.
Eine Folge davon ist zum Beispiel die Vor-
schrift, dass Computerbildschirme so auf-
zustellen sind, dass sich nichts in ihnen
spiegelt.
Aus nachvollziehbaren Gründen gibt
es nur sehr selten Analysen von mobi-
len Arbeitsplätzen und so gut wie keine
Vorschriften über den Gebrauch mobiler
Endgeräte, der sowieso nicht kontrollier-
bar sein dürfte. Drei Viertel der befragten
Betriebe (75 Prozent) erklären, Gefähr-
dungsbeurteilungen bei mobilen Ar-
beitsplätzen nur teilweise oder gar nicht
durchzuführen. Besonders große Ver-
säumnisse räumen die Befragten in Bezug
auf die Beurteilung der psychischen Be-
lastung der mobilen Arbeit ein: Hier er-
füllen 80 Prozent der Unternehmen gar
nicht oder nur unvollständig die ihnen
auferlegte gesetzliche Verpflichtung. „An-
gesichts des weiten Verbreitungsgrads
digitalisierter Mobilarbeit ist das ein bri-
santer Befund“, urteilte Prümper.
„In den Medien werden wir von Infor-
mationen zum Thema Arbeiten 4.0 er-
schlagen. Die Diskussion beschränkt
sich jedoch bislang vor allem auf Positi-
onspapiere und bietet wenig empirische
Forschung“, konstatierte Studienleiter
Prümper bei der Präsentation der For-
schungsergebnisse.
Lücke zwischen Theorie und
Praxis geschlossen
„Unsere Studie leistet einen Beitrag dazu,
diese Lücke zwischen Theorie und Pra-
xis zu schließen“, betonte Prümper. Ralf
Hocke, Geschäftsführer von Spring Messe
Management, ergänzte: „Wir leben in
einer Zeit des rasanten technologischen
Wandels. Mobile Technologien spielen
eine große Rolle. Als Messeveranstalter
liefern wir den Marktteilnehmern mit
der Studie wichtige Impulse für Innovati-
onen, die in einer mobilen Arbeitswelt ge-
braucht werden.“ Darüber, dass die Stu-
die gezeigt habe, dass die mobile Arbeit
sich positiv auf Arbeitszufriedenheit und
-qualität auswirke, freute sich besonders
Katharina Heuer, Geschäftsführerin der
Deutschen Gesellschaft für Personalfüh-
rung (DGFP). Es komme jetzt darauf an,
dass sich die Beschäftigten bei Kompe-
tenzen wie Selbstständigkeit, Ausdrucks-
fähigkeit oder Konfliktfähigkeit verstärkt
weiterbildeten und von ihren Arbeitge-
bern durch Coaching unterstützt würden.
Martin Pichler
Christian Lorenz.
Der Leiter Themenstrategie der Deutschen Gesellschaft für
Personalführung (DGFP) diskutierte mit den Besuchern der „Personal 2016 Süd“
über die von der DGFP mitgetragene Mobile-Worker-Studie.
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