WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 14

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wirtschaft + weiterbildung
06_2016
Foto: Ullstein Bild_Jean-Gil
PORTRÄT.
Samy Molcho, Wien, kam am 24. Mai 1936 in
Tel Aviv zur Welt. Weltberühmt wurde er als Pantomime.
Im Alter von 50 Jahren startete er eine neue, sehr erfolg-
reiche Karriere als Redner und Seminarleiter zum Thema
„Körpersprache“. Sein wichtigster Bestseller ist: „Alles über
Körpersprache: sich selbst und andere besser verstehen“
(Mosaik Verlag). Ein berühmtes Molcho-Zitat lautet: „Der
Körper ist der Handschuh der Seele.“
Viele Trainer, die jedes Jahr ihre durchschnittlich 150 Seminar-
tage in einem Tagungshotel zubringen, wollen nach zehn oder
20 Jahren nichts sehnlicher, als endlich mehr „von zu Hause
aus“ arbeiten zu können.
Dieses Gefühl, endlich sesshafter zu werden, hatte der welt-
bekannte Pantomime Samy Molcho auch einmal – und zog
daraus seine Konsequenzen. Seit seinem 10. Lebensjahr stand
er als Tänzer, Schauspieler und vor allem als weltweit be-
wunderter Pantomime im Scheinwerferlicht. Im Alter von 50
Jahren verließ er als gefeierter Star freiwillig die Bühne. „Im
Unterschied zu einer alten Stradivari wurde mein Körper nicht
besser mit den Jahren“, erklärte er im Rückblick dem „Zeit-
Magazin“ (Nr. 37/2012). „Mein Kollege Marcel Marceau war
zuletzt nur noch das Denkmal seiner selbst auf der Bühne, das
war traurig.“
Ab dem 50. Geburtstag ging die Entwicklung
in Richtung „Lehrer“
Und außerdem wollte Molcho bei seiner Familie sein und nicht
jedes Jahr rund vier Monate lang durch die Welt touren. Im
Jahr 1987 gab es noch eine Abschiedstournee durch Liech-
tenstein, die Schweiz, die Bundesrepublik Deutschland, Israel
und Österreich, dann war die Sache mit der Pantomime erle-
digt. „Man muss eben wissen, wann man loslässt“, so Molcho.
Einfach war es wohl nicht, denn dem „Zeit-Magazin“ gestand
Körpersprachepapst
Samy Molcho feiert
80. Geburtstag
er: „Selbstverständlich hat mir das gefehlt, Theater ist wie
eine Sucht.“ Um von dieser Sucht loszukommen, vermied er
es dann auch für einen gewissen Zeitraum, überhaupt in ein
Theater zu gehen.
In Molchos Leben begann eine neue Phase, die unter dem
Motto „vom Pantomimen zum Lehrer“ stand. Er übernahm
eine Stelle als ordentlicher Professor am Max-Reinhardt-Semi-
nar in Wien, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst.
Am Institut für Schauspiel und Schauspielregie unterrichtete er
„körperliche Gestaltung“. Im Rückblick wirkt es ausgesprochen
ungewöhnlich, dass Molcho gleichzeitig zu einem gefragten
Redner zum Thema Körpersprache aufstieg. Redneragenturen,
Speaker-Kollegen und Veranstalter von Business-Kongressen
wundern sich noch heute, wie ein Pantomime mit einem recht
seltsamen Akzent und fast ohne Marketing so schnell in die
Liga der bestbezahltesten Kongressredner und Seminarleiter
aufsteigen konnte.
Es mag sein, dass „Körpersprache“ und „erfolgreiches Auf-
treten“ damals Trendthemen waren. Den Erfolg von Molcho
erklären die Zeitgenossen, die ihn Ende der 80er-Jahre erlebt
haben, aber hauptsächlich mit seiner umwerfenden Bühnen-
präsenz, die seine Vorträge zu einem echten Erlebnis machte
und ihm eine Flut von Weiterempfehlungen einbrachte. Viele
ehemalige Sportler, Politiker, Künstler oder Männer der Kirche
wollen nach ihrer aktiven Zeit ins Redner-Business einsteigen,
kommen aber über ein paar kleine Anfangserfolge nicht hi-
Körperbeherrschung.
Das Foto aus dem
Jahr 1972 zeigt Samy Molcho (ganz links)
beim Training mit jungen Bühnentalenten.
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