WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 23

wirtschaft + weiterbildung
06_2016
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„Jeder muss den Willen zum sinnvollen Austausch haben“
Welche Arbeitsmittel stellen Sie den Mitarbeitern
speziell für das mobile Arbeiten zur Verfügung?
Thorsten Heilig:
Wir nutzen Kollaborationstools, mit
denen man standortübergreifend zusammenarbeiten
kann. Wir haben zum Beispiel als Kommunikationsmedium
„Slack“ und praktizieren die Logik der Pull- statt der Push-
Kommunikation. (Anmerkung: Slack ist ein webbasierter
Instant-Messaging-Dienst, der es Arbeitsgruppen erlaubt,
Nachrichten auszutauschen, zu chatten und gemeinsam
Dokumente zu bearbeiten). Wir investieren auch viel, damit
sich die Teams oft sehen. Wer sich häufig persönlich trifft,
arbeitet gut mobil zusammen. Gleichzeitig ist es bei uns in
einer Besprechung ganz normal, dass jemand per Video-
konferenz teilnimmt.
Können Videokonferenzen reale Treffen ersetzen?
Heilig:
Sich zu treffen, ist schon etwas anderes, aber Video­
konferenzen sind durch das optische Element, dass man
sich sieht, durchaus vertrauensbildend. Persönliche Tref-
fen sind am besten, gefolgt von Videokonferenzen, Telefon
bis hin zu reiner Online-Kommunikation. Meiner Erfahrung
nach macht es der richtige Mix.
Wie teilt man sich bei Ihnen die Arbeitszeit ein?
Heilig:
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Mit flexiblen
Arbeitszeiten läuft es gar nicht so viel anders als in vorge-
gebenen Strukturen. Die Teams nehmen sich gegenseitig in
die Verantwortung und der Teamleiter und alle Mitarbeiter
achten darauf, dass niemand die Freiheit negativ ausnutzt
oder sich überfordert und zu lange arbeitet. In der Regel
klappt es gut, dass die Teams ihre eigenen „Kernarbeits-
zeiten“ finden. Wer viel mit Amerika zusammenarbeitet, hat
vielleicht andere Zeiten als Leute, die Kinder haben. Char-
mant daran finde ich, dass man auch als Führungskraft
nicht ständig physisch präsent sein muss.
Wo leisten die Mitarbeiter aus Ihrer Sicht mehr – beim
stationären oder mobilen Arbeiten?
Heilig:
Generell kann man die beiden Modelle nicht pau-
schal vergleichen. In jedem System ist es wichtig, den
Umgang damit zu erlernen. Beim mobilen Arbeiten müssen
die Mitarbeiter stärker selbstorganisiert sein – und das
bringen heute viele schon mit. Wichtig sind der Sinn und
das Ziel der Arbeit. Wenn man gemeinsam an etwas arbei-
Interview.
Thorsten Heilig ist Head of People & Organization bei der Moovel Group GmbH
in Stuttgart. Moovel ist ein junges Tochterunternehmen der Daimler AG, das innovative
Mobilitätslösungen entwickelt und betreibt. Im Interview spricht der HR-Leiter über mobiles
Arbeiten, wie es bereits bei Moovel praktiziert wird.
tet, ist die Produktivität und Zufriedenheit per se höher. Wir
arbeiten nicht mehr mit individuellen, lohnbasierten Zielen
auf Jahresbasis, sondern mit kurzfristigeren Team- und
Unternehmenszielen. In einem sich stark verändernden
Umfeld braucht man einen gemeinsamen Anreiz.
Welche Kompetenzen brauchen Ihre Mitarbeiter für das
mobile Arbeiten?
Heilig:
Selbstorganisation ist zentral. Mitarbeiter müssen
ihren Rhythmus kennen, wissen, was ihnen selbst guttut
und wie sie sich organisieren können. Wie wichtig das ist,
hängt auch von der Position ab, ob jemand als Junior ein-
steigt oder schon Berufserfahrung hat. Selbstorganisation
kann man zwar bis zu einem gewissen Grad lernen, aber
jeder muss das Mindset dafür mitbringen. Kommunikative
Fähigkeiten spielen auch eine große Rolle. Das Vorurteil,
dass in der Software-Entwicklung alle am liebsten im Keller
arbeiten, kann ich nicht bestätigen. Mit neuen Kommunika-
tionsmitteln ist die Kommunikation aber schon effektiver
und zielgerichteter geworden. Nicht jeder muss der große
Selbstdarsteller und Kommunikator sein. Er muss nur den
Willen zum sinnvollen Austausch haben.
Interview: Stefanie Hornung
Thorsten Heilig.
Den HR-
Profi der Moovel Group
GmbH trafen wir auf der
„Personal 2016 Süd“.
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