WIRTSCHAFT_UND_WEITERBILDUNG 06/2016 - page 45

wirtschaft + weiterbildung
06_2016
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Einfluss.
Um auf
interkulturelle Systeme
Einfluss zu nehmen, muss
zuerst das Vertrauen
gefördert werden.
Eine Unternehmenskultur, die sich per se
aus organisationsdynamischen Spannun-
gen und Widersprüchen zusammensetzt,
wird im Rahmen einer globalen Zusam-
menarbeit mit unterschiedlichen kulturel-
len Verständnissen angereichert. Ist eine
Führungskraft standort- oder länderüber-
greifend aktiv, sollte sie mit vielen sicht-
baren und auch passiven Widerständen
umgehen können. Eine internationale
Führungskräfteentwicklung muss genau
bei dieser Herausforderung ansetzen –
dort, wo die Phänomene auftreten und
das Empowerment der Führungskraft
gefordert ist. Das entsprechende Training
sollte die Möglichkeit geben, die Prob-
lemlösungskompetenz zu trainieren, die
eigene Frustrationstoleranz zu erkunden
und Wege zu finden, wie Nachhaltigkeit
bei Entscheidungen gewährleistet wird.
Ein Theorievortrag oder allgemeine Tipps
werden hier wenig hilfreich sein.
Erfolg hat das Training nur, wenn realis-
tische Rahmenbedingungen geschaffen
werden, um mithilfe einer intensiven
Auswertung die Schlüsselaspekte und
Phänomene der Organisationen zu ver-
stehen und zu bearbeiten. Ein organisati-
onsdynamisches Training wird den hohen
Anforderungen in der Regel gerecht und
kann auch „inhouse“ so konzipiert wer-
den, dass es die Rahmenbedingen und
Spannungsfelder, in dem sich das Unter-
nehmen befindet, abbildet. Besonders für
internationale Entwicklungsprogramme
bietet sich so ein spezielles Format zum
Beginn oder zum Ende der langfristigen
Maßnahme an. Beginnt man mit diesem
Format, hat man in den folgenden Work-
shops, Trainings und Coachings immer
wieder Möglichkeit, darauf Bezug zu
nehmen. Ist es der Abschluss des Pro-
gramms, können gelernte Methoden oder
persönliche Erkenntnisse in diesem Lern-
feld ausprobiert werden.
Das Fundament des Settings ist ein Sze-
nario, in dem sich die Teilnehmer wie-
derfinden. Auf dem Seminarmarkt gibt
es dazu unterschiedliche Konzepte. Am
einfachsten sind die verschiedenen Va-
rianten am „Strukturierungsgrad“ zu
unterscheiden. „Gruppendynamische
Selbsterfahrung“ in diesem Format hat
wenig vorgegebene Struktur, also einen
geringen Strukturierungsgrad, mit dem
Ziel, die zwischenmenschlichen Prozesse
besser beobachten zu können. Diese For-
mate werden häufig „Orga-Labs“ (Orga-
nisationslaboratorium) genannt und sind
das Pendant zum gruppendynamischen
„Sensitivity-Training“ auf Organisations-
ebene. Wenig Struktur bedeutet, dass die
Teilnehmer wenig Vorgabe und Anleitung
von den Trainern erfahren und sich von
Beginn an selbst organisieren müssen.
Der Nachteil besteht drin, dass die Rah-
menbedingungen des Unternehmens, aus
denen die Teilnehmer sind, nur bedingt
abgebildet werden können. Die Intensität
ist hoch, der konkrete Praxisbezug kann
aber darunter leiden.
Sehr strukturierte Designs, in denen die
Teilnehmer viel Anleitung erfahren, sind
klassische Planspiele, die zum Beispiel
mit Computersimulationen durchgeführt
werden können. Der Gesamtprozess ist
tendenziell vorhersehbar und alle Grup-
pen durchleben die gleichen Erfahrun-
gen. Die Intensität des Trainings ist eher
gering und damit auch die persönliche Er-
kenntnis, wie mit den Spannungsfeldern
umgegangen werden kann. Für ein BWL-
Training ist dieses Konzept sehr effektiv
– für ein Training zum interkulturellen
Empowerment wird es die gewünschte
Wirkung nicht erzielen. Ein erfolgreiches
Design zu diesem Thema zeichnet sich
durch eine Mischung dieser beiden Vari-
anten aus und weist damit einen mittle-
ren Strukturierungsgrad auf: ein gruppen-
dynamisches Erfahrungslernen mit festen
Rahmenbedingungen und Spielregeln.
Die Teilnehmer werden sich selbst organi-
sieren, mit entgegengesetzten Interessen
umgehen müssen und Schwierigkeiten
bekommen, ihre Ziele durchzubringen.
Weniger ist das durch die Interventionen
der Spielleitung/Trainer bedingt, sondern
mehr durch das „natürliche“ Zusammen-
spiel der Seminarteilnehmer in diesem
Szenario.
Durch die kulturellen Unterschiede wer-
den leitende Angestellte in einer Organi-
sation immer wieder vor neue Herausfor-
derungen gestellt. In der Realität und im
organisationsdynamischen Training wird
das Empowerment im interkulturellen
Zusammenspiel an bestimmten Stellen
für den Einzelnen erlebbar und themati-
sierbar. Klassische Trainings zur interkul-
turellen Kompetenz sind und bleiben für
die Führungskräfteentwicklung wichtig.
Sie fördern das gegenseitige Verständnis
und beugen Konflikten vor. Es bedarf
aber zusätzlich des organisationsdynami-
schen Trainings, um zu erproben und zu
erfahren, wie in einem komplexen System
tasächlich auch Einfluss genommen wer-
den kann.
Sven Janka
Foto: FotolEdhar / AdobeStock
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