wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 35

wirtschaft + weiterbildung
02_2016
35
Strategie
Wo will ich hin? Was ist meine Vision,
was meine Ziele für das Unternehmen?
Struktur
Welche Prozesse und welche
Strukturen benötige ich hierfür?
Kultur
Was für Mitarbeiter möchte ich
haben? Welche Unternehmens-
kultur benötige ich hierfür?
schüren. Deshalb sollte im Vorfeld jeder
(angedachten) Fusion oder Umstrukturie­
rung ein Kommunikationskonzept erstellt
werden – mit folgenden Zielen:
1.
Verständnis für die Notwendigkeit der
Fusion/Umstrukturierung schaffen,
2.
Vertrauen für die damit verbundenen
Entscheidungen aufbauen,
3.
Akzeptanz bei den Mitarbeitern erzeu­
gen,
4.
Motivation für die einzelnen Schritte
wecken,
5.
die Basis für eine Identifikation mit
dem neuen/veränderten Unternehmen
schaffen.
Jedes Unternehmen hat seine eigene Ge­
schichte und Kultur. Fusionieren zwei
Unternehmen, entbrennt meist ein Kampf
um das neue Leitbild.
Diesen gewinnt, sofern dieser Prozess
nicht gesteuert wird, in der Regel das
übernehmende Unternehmen, selbst
wenn offiziell eine „Hochzeit unter Glei­
chen“ verkündet wird. Der „Überneh­
mer“ dominiert also das übernommene
Unternehmen. Dasselbe gilt, wenn zwei
Niederlassungen von Unternehmen oder
Unternehmensbereiche wie zum Beispiel
der Service und der Vertrieb fusionieren.
Das verstärkt die Ressentiments der Mit­
arbeiter, was zu unnötigen Widerständen
führt. Deshalb empfiehlt es sich, bei Fu­
sionen eine Analyse durchzuführen, wel­
che Elemente in den Kulturen der beiden
Unternehmen die Zielerreichung fördern
und deshalb in die neue Kultur einfließen
sollten.
Beim Versuch, eine Unternehmenskultur
zu verändern, spielt das Topmanagement
eine Schlüsselrolle. Es muss die neue Kul­
tur vorleben. Jeder Versuch, Kulturverän­
derungen ausschließlich über das mittlere
Management herbeizuführen, scheitert.
Unterschätzt werden sollte auch nicht die
Langwierigkeit von kulturellen Verände­
rungsprozessen. Sie dauern bei größeren
Unternehmen in der Regel mindestens
drei Jahre.
Größere Unternehmen investieren viel
Zeit und Geld in den Aufbau einer Corpo­
rate Identity, also Firmenkultur. Denn die
Mitarbeiter sollen stolz auf „ihr Unterneh­
men“ sein und sich mit ihm identifizie­
ren. Bei einer Fusion bricht jedoch, spe­
ziell beim übernommenen Unternehmen,
diese Identität weg. Vielen Mitarbeitern,
insbesondere denen, die sich stark mit
ihm identifizieren, fällt es schwer, sich
vom bisherigen Unternehmen mit seinen
Gepflogenheiten und Ritualen zu ver­
abschieden. Sie trauern. Im Privatleben
erachten wir dies als selbstverständlich.
Und klar ist: Das Abschiednehmen erfor­
dert seine Zeit. Im Unternehmenskontext
existiert hierfür jedoch meist wenig Ver­
ständnis. Ein vorübergehend lethargi­
sches und manchmal sogar aggressives
Verhalten wird selten als Ausdruck von
Trauer interpretiert und respektiert.
Managementaufgabe: Im
Übergang Orientierung bieten
Bei Fusionen und Umstrukturierungen
leben die Mitarbeiter bis zum Übergang
in die neue Struktur oft in einem Schwe­
bezustand. Wie geht es weiter? Was wird
aus mir? Gibt es meinen Job nachher
noch? Solche Fragen bewegen sie. In die­
ser Situation zeigen Mitarbeiter oft fol­
gende Verhaltensmuster:
Dienst nach Vorschrift:
Sie identifizieren
sich nicht mehr mit dem Unternehmen,
machen nur noch Dienst nach Vorschrift,
folgen nur noch bedingt den Anweisun­
gen ihrer Vorgesetzten.
Operative Hektik:
Sie verfallen in Aktio­
nismus. Die Mitarbeiter wollen überall
mitmischen, um in einem guten Licht zu
erscheinen. Nicht die Qualität der Arbeit,
die „Show nach oben“ zählt.
Deshalb ist es wichtig, dass das Top­
management insbesondere den Füh­
rungskräften in der Organisation in der
Übergangszeit eine Orientierung bietet,
damit diese wissen, wie sie sich verhalten
sollen. Sonst verpufft viel Energie.
Bei Fusionen und Umstrukturierungen
werden meist in kurzer Zeit viele folgen­
schwere Entscheidungen getroffen – zum
Beispiel über IT-Systeme, Stellenbeset­
zungen, Markt- und Produktstrategien.
Häufig setzt sich dabei nicht das bessere,
sondern das Konzept des Übernehmers
durch. Felder werden besetzt und Terri­
torien neu verteilt, wobei auch Eigenin­
teressen eine große Rolle spielen. Des­
halb sollte das Topmanagement auf eine
gewisse Überparteilichkeit achten, damit
insbesondere im übernommenen Unter­
nehmen oder Bereich keine überflüssigen
„Verlierer“ produziert werden.
Fusionen und Umstrukturierungen sind
ein schwieriges Geschäft – auch, weil die
eigentliche Arbeit erst nach der nötigen
Grundsatzentscheidung des Manage­
ments und deren Verkünden beginnt. Un­
ternehmensführer müssen sich bewusst
sein: Eine gelungene Integration gibt es
nicht zum Nulltarif. In den Monaten und
Jahren nach dem Verkünden der Fusion
muss das Unternehmen viel Energie in
das Gestalten dieses Prozesses investie­
ren – auch um sicherzustellen, dass bei
den (Folge-)Entscheidungen stets die drei
Aspekte „Strategie“, „Struktur“ und „Kul­
tur“ beachtet werden.
Dr. Georg Kraus
Die drei Erfolgsfaktoren einer Fusion
Hintergrund.
Ob Prozesse optimiert oder Entscheidungen
getroffen werden: Die Themenfelder „Strategie“,
„Struktur“, „Kultur“ gilt es gleichberechtigt zu beachten.
Quelle: Kraus und Partner
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