wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 31

wirtschaft + weiterbildung
02_2016
31
Effektivität. Anders formuliert: Nutzen
Unternehmen eine bestimmte Technolo-
gie nicht, sehen sie diese eher kritisch.
Sobald eine Technologie jedoch aktiv
genutzt wird, sind Unternehmen in der
Lage, signifikante Effizienzgewinne zu
realisieren. Insgesamt ist dabei zu beob-
achten, dass größere und international
agierende Unternehmen innovative Tech-
nologien häufiger einsetzen als kleinere,
auf den Binnenmarkt fokussierte Firmen.
Andere Faktoren, wie zum Beispiel das
Ausmaß an verfügbaren Ressourcen,
haben erstaunlicherweise keine Auswir-
kung auf die Nutzung und Einschätzung
innovativer Weiterbildungstechnologien.
Unternehmen, die neben traditionellen
Weiterbildungskomponenten häufig in-
novative Technologien nutzen, bestätigen
auch die Effektivität letzterer. Bei den im
Rahmen der Studie befragten Organisati-
onen sind dies allerdings gerade einmal
vier Prozent. Je seltener innovative Tech-
nologien genutzt werden, desto schlech-
ter ist die Bewertung ihrer Effektivität.
Die größte Gruppe von Unternehmen (43
Prozent) gibt an, insgesamt nur selten
Gebrauch von innovativen Technologien
zu machen und bewertet diese als eher
ineffektiv.
Vorbehalte überkommen und
Lernarchitektur aufbauen
Diese Beobachtung hat firmen- und bran-
chenübergreifend Bestand und legt zwei
Vermutungen nahe: Erstens scheint die
anfängliche Skepsis häufig auf diffusen
Befürchtungen zu gründen sowie auf
einer Unterbewertung der tatsächlichen
Möglichkeiten neuer Technologien. Diese
Skepsis ist weniger ausgeprägt bei eher
traditionellen und häufiger eingesetzten
Technologien. Aus der psychologischen
Forschungsliteratur sind solche Tenden-
zen gut bekannt: Urteilsverzerrende Vor-
einstellungen wie der „Status Quo Bias“,
bei dem jegliche Abweichung vom gegen-
wärtigen Zustand als Verlust wahrgenom-
men wird oder der „Bestätigungsfehler“,
bei dem Informationen gezielt so gesucht
und interpretiert werden, dass sie die ei-
genen Überzeugungen bestätigen, sind
vielfach belegt.
Zweitens scheinen Unternehmen in der
Regel von einer extrem steilen Lern-
kurve zu profitieren, sobald sie einmal
eine neue Technologie für sich erschlos-
sen haben. Für Personalentscheider und
Weiterbildungsverantwortliche ist dies
eine erfreuliche Nachricht, denn offenbar
amortisieren sich die hohen Anfangsin-
vestitionen in Form einer effektiveren
Führungskräfteentwicklung und tragen
somit indirekt auch zum langfristigen Un-
ternehmenserfolg bei.
Welche Konsequenzen lassen sich also
aus diesen Resultaten ableiten und was
können Unternehmen tun, um die Füh-
rungskräfteentwicklung zu stärken?
Selbstverständlich soll hier keine „One
size fits all“-Lösung suggeriert werden,
denn natürlich wird sich der organisati-
onale Weiterbildungserfolg nicht automa-
tisch erhöhen, nur weil Unternehmen bei-
spielsweise eine Wiki-Plattform als Form
des sozial vernetzten Lernens anbieten.
Stattdessen geht es um die Umsetzung
einer integrierten Lern- und Weiterbil-
dungsarchitektur, die die gesamte Band-
breite an Möglichkeiten nutzt und bei
der Führungskräfteentwicklung mehr als
heutzutage personalisiert gestaltet wird.
Insofern liegt das größte Potenzial inno-
vativer Weiterbildungstechnologien nicht
unbedingt darin, Weiterbildungsteilneh-
mer jederzeit zu erreichen, um ihnen
isoliert Lerninhalte zu übermitteln. Vor
allem eröffnen sie die Möglichkeit, einen
auf die Führungskraft persönlich zuge-
schnittenen Mix aus individuellen und
gruppenbasierten Elementen zu entwer-
fen, die dann online und offline umge-
setzt werden.
Ausblick
Wie wird sich die Weiterbildung von Füh-
rungskräften in Zukunft entwickeln? Die
Einschätzung der Teilnehmer für die kom-
menden drei Jahre zeigt grundsätzlich
ein optimistisches Bild: Obwohl knappe
finanzielle Ressourcen als eine der zen-
tralen Herausforderungen benannt wur-
den, geht die Mehrzahl der Befragten (78
Prozent) davon aus, dass künftig mehr
Weiterbildungsaktivitäten in ihrem Un-
ternehmen durchgeführt werden.
Was speziell den Mehrwehrt von integ-
riertem Lernen gegenüber traditionellem
Lernen (mit reinen Präsenzformaten)
angeht, so gehen knapp drei Viertel (71
Prozent) der Unternehmen davon aus,
dass der potenzielle Mehrwert innerhalb
der nächsten drei Jahre hoch oder sehr
hoch sein wird. Zudem erwarten 59 Pro-
zent der Unternehmen, dass die Nutzung
innovativer Technologien in ihrem eige-
nen Unternehmen bis 2019 ebenfalls hoch
oder sehr hoch sein wird.
Letztlich bleibt somit die Herausforde-
rung für Unternehmen, Strukturen und
Prozesse in der Führungskräfteentwick-
lung zu etablieren, die sowohl den ob-
jektiven Herausforderungen als auch
den subjektiven Vorbehalten hinsichtlich
innovativer Technologien begegnen. Die
erfolgreichsten Unternehmen fassen dies
als strategische Herausforderung auf, bei
deren Bewältigung Vorstandsmitglieder,
Personalentscheider und Weiterbildungs-
verantwortliche gemeinsam und vertrau-
ensvoll zusammenarbeiten müssen.
Georg Guttmann, Winfried Ruigrok
Georg Guttmann
ist Doktorand an
der Universität St.
Gallen und forscht
an der Executive
School of Management, Technology and
Law (ES-HSG) zu den Themen Executive
Learning, Leadership Development und
Business School Innovation.
Universität St. Gallen
Holzstraße 15, CH-9010 St.Gallen
AUTOREN
Winfried Ruigrok
ist Dean der ES-HSG
der Universität St.
Gallen und Professor
für internationales
Management an derselben Universität.
Die Executive School koordiniert die Wei-
terbildung und fördert lebenslanges Ler-
nen auf allen Karriereebenen.
Universität St. Gallen
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,...68
Powered by FlippingBook