wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 41

wirtschaft + weiterbildung
02_2016
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Dr. Harald Geißler. Er kommt von der Hel-
mut-Schmidt-Universität Hamburg und
ist der Erfinder des „E-Coachings“, denn
schon im Jahr 2006 stellte er das weltweit
erste E-Coaching-Tool unter dem Namen
„Virtuelles Coaching (VC)“ ins Netz.
Seine umfangreiche Forschungsarbeit,
seine langjährige Berufspraxis als Coach
und seine Erfahrung mit digitalem Coa-
ching machen ihn zu „dem“ Experten auf
dem Feld der elektronischen Coaching-
Tools. Warum stehen viele Coachs dem E-
Coaching ablehnend gegenüber? Geißler
geht dieser Frage in seiner Keynote nach.
Er wird außerdem eine Struktur vorstel-
len, nach der E-Coaching-Technologien
klassifiziert werden können. Dies soll
erlauben, konkret Aussagen über Funkti-
onsstärken und -grenzen des E-Coaching
zu treffen.
In erster Linie wird der Hamburger Pro-
fessor aber Auskunft geben über das von
ihm entwickelte „Virtuelle Coaching“.
Dieses Tool nutzt die Möglichkeiten
des Internets, um bei einem Berufstäti-
gen die Selbstkompetenz (zum Beispiel
„Ziele besser bewältigen“) zu erhöhen.
Das wird durch ein methodisches De-
sign erreicht, das sich im Wesentlichen
durch zwei Momente auszeichnet: Zum
einen wird der User durch ein Internet-
programm geführt, das ihn auffordert,
eine Reihe systematisch aufeinander
aufbauender Fragen schriftlich zu beant-
worten. Zweitens kommt hinzu, dass der
Ratsuchende einem Coach seiner Wahl
einen Betreuungsauftrag geben kann. Der
Coach erhält dann ein „Leserecht“ und
kontaktiert den Coachee auf Wunsch per
E-Mail oder Telefon. Online-gestützte
Einzelarbeit kann so in ein regelmäßiges
Telefon-Coaching münden.
Auf die Keynote-Vorträge folgen viele
Workshops und Fallstudien zum Thema
„Virtuelles Coaching“. Ein Workshop wird
am zweiten Kongresstag unter dem Titel
„Können digitale Medien die Qualität im
Coaching revolutionieren?“ von Peter
Behrendt gehalten. Er fragt: Was sind die
entscheidenden Qualitätsmomente? In
der Forschung haben sich folgende drei
Momente als entscheidend für eine hohe
Wirksamkeit von Coaching gezeigt:
1.
Arbeitsmomente, in denen der Coa-
chee mit hohem Zutrauen den Inter-
ventionen des Coachs folgt
2.
Fokusmomente, in denen der Coachee
in tiefe Selbstreflexion kommt
3.
Positivmomente, in denen das Selbst-
bewusstsein sichtbar gestärkt wird.
Im Workshop soll anhand von Videobei-
spielen aus realen Coaching-Sitzungen
erarbeitet werden, welches Verhalten des
Coachs diesen Qualitätsmomenten vor-
ausgeht. Das digitale Videoformat ermög-
licht dabei die Beobachtung des verbalen,
aber insbesondere auch des nonverbalen
Verhaltens.
„Aus der Erfahrung heraus ist das non-
verbale Verhalten mindestens genauso
bedeutend für die Entstehung der drei
Qualitätsmomente wie das, was gesagt
wird“, betont Behrendt. Er berichtet von
Firmen, bei denen jeder Coach jährlich
vier Coaching-Gespräche digital aufzeich-
nen muss und auf Basis dieser Videos ein
detailliertes Feedback und Entwicklungs-
impulse erhält.
„Die Ergebnisse unserer ersten Studien in
diesen Organisationen sind frappierend:
Die Gesprächsqualität ist in den fokus-
sierten Bereichen weit über dem Bench-
mark anderer Coachs. Die objektiven Er-
gebniskriterien der Organisation konnten
durch die höhere Gesprächsqualität sig-
nifikant gesteigert werden“, so Behrendt.
„Kein analoges Medium erlaubt es, so
nah an die Momente zu rücken, in denen
Qualität tatsächlich entsteht.“
Martin Pichler
Aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema „Coaching“
Dieses Jahr bieten die Posterbeiträge ein breites Themen-
spektrum. Die Poster-Titel lauten:
· „Weiterbildungsteilnehmer für den Praxistransfer und in
ihrer Selbstlernkompetenz stärken“. Prof. Dr. Axel Koch
stellt die Ergebnisse einer Evaluationsstudie zur Wirksam-
keit der Transferstärke-Methode vor, die den Wissens­
transfer von der Theorie in die Praxis sichert.
Poster-Sessions.
Ein fester Bestandteil des Coaching-Kongresses in Erding sind die Poster, die
während der Gesamtdauer des Kongresses für das Publikum ausgestellt bleiben und von den
Autoren am ersten Tag in sogenannten Poster-Sessions vorgestellt werden.
Prof. Dr. Axel Koch.
Er hat erforscht,
wie Menschen ihre
Transferstärke
entwickeln können.
· „Das Selbst im Bild: Selbstreflexions- und kongruente
Selbstveränderungsprozesse im Einzelcoaching mit Bild-
materialien fördern“. Dr. Jasmin Messerschmidt analysiert
bildhafte Methoden im Coaching.
· „Blended Coaching – Ein Angebot für Weiterbildungsstu-
dierende zur persönlichen Laufbahnentwicklung“. Melanie
Höchner beschäftigt sich mit einem wissenschaftlich eva-
luierten Weiterbildungskonzept.
· „Jedem Topf den richtigen Deckel – Coaches und Coa-
ching-Methoden motivkongruent auswählen“. Julia Scherle
richtet den Fokus auf das Thema Passung.
· „Stakeholder-Kommunikation mit „Impact“ – Ergebnisse
eines Coaching-Projektes.“ Monika Wastian befasst sich
mit einer Studie zum Kurzzeit-Coaching „Impact“.
· „Die Logik des Gelingens“. Prof. Walter Spiess zeigt ein
Selbst-Coachingmodell, das sich an der „Logik des Gelin-
gens“ orientiert.
Foto: Julia Walker, HAM
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