wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 34

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
02_2016
men erfassen. Und ihre Entwicklung? Sie
lässt sich nur bedingt am Reißbrett pla­
nen. Fusionen und Umstrukturierungen
lösen bei den Mitarbeitern der betroffe­
nen Unternehmen Unsicherheiten und
Ängste aus, denn hierbei gibt es neben
Gewinnern stets auch Verlierer – zumin­
dest gibt es Personen, die sich als solche
empfinden.
Diese meist diffusen Ängste und Befürch­
tungen der Mitarbeiter gilt es aufzufan­
gen. Sonst verdichten sie sich zu Wider­
ständen. Bei Fusionen und Umstrukturie­
rungen können unter anderem folgende
Ängste zu Widerständen führen:
• Angst vor Einkommenseinbußen
• Angst vor einem Arbeitsplatzverlust
• Angst vor neuen Aufgaben
• Angst vor dem Verlust wichtiger per­
sönlicher Beziehungen (zum Beispiel
aufgrund einer Versetzung)
• Angst vor einem Verlust an Sozial­
prestige
• Angst vor einem Verlust von Hand­
lungsspielräumen und Entscheidungs­
befugnissen
• Angst vor geringeren Karrierechancen.
Diese Ängste werden in der Regel umso
größer, je länger die Mitarbeiter nicht wis­
sen: Was kommt auf mich zu? Deshalb
sollte das Management diese Fragen so
schnell wie möglich beantworten. Sonst
beginnt die Gerüchteküche zu brodeln.
Und der mit der Fusion oder Umstruk­
turierung verbundene Veränderungspro­
zess? Er erscheint für die Mitarbeiter in
einem stets negativeren Licht. Deshalb
stellen sich häufig sogar Personen, die
faktisch zu den Gewinnern zählen, gegen
ihn.
Viele Manager sind überzeugt: Wir soll­
ten die Mitarbeiter erst informieren, wenn
alles „in trockenen Tüchern“ ist und ein
für allemal feststeht – sonst erzeugen
wir Unsicherheit. Entsprechend zurück­
haltend sind sie mit der Information der
Mitarbeiter. Dabei sind die Mitarbeiter
spätestens dann in eine Alarm-Stimmung
versetzt, wenn bei börsennotierten Un­
ternehmen aufgrund der bestehenden In­
formationspflicht erste Meldungen über
eine mögliche Fusion durch die Presse
geistern (selbst wenn diese letztlich nicht
erfolgt). Meist schrillen die Alarmglocken
bei ihnen sogar noch früher. Zum Bei­
spiel, wenn plötzlich ihre „Chefs“ regel­
mäßig in Meetings ihre Köpfe zusammen­
stecken, bei denen niemand weiß, worum
es in ihnen geht. Oder wenn plötzlich in
ihrer Abteilung regelmäßig irgendwelche
Männer in grauen Anzügen und Frauen
in grauen Kostümen auftauchen, die
niemand kennt oder die man ansonsten
selten sieht. Auch dann haben die Mitar­
beiter schnell das Gefühl: Hier ist etwas
im Busch.
Kommunikationskonzept
erstellen
Eine frühzeitige erste Information der
Mitarbeiter ist auch deshalb meist sinn­
voll, weil zumindest für Fusionsprozesse
– von Unternehmen und Unternehmens­
bereichen – gilt: Sie lassen sich nicht
im Detail planen. Viele Entscheidun­
gen haben einen vorläufigen Charakter
– auch weil nicht alle Einflussfaktoren
und Wechselwirkungen präzise erfasst
werden können. Zudem betreten das
Unternehmen und sein Management bei
Fusionen und Übernahmen oft Neuland.
Sie haben also noch wenig praktische Er­
fahrung hiermit.
Deshalb führt die Angst davor, falsch
oder unvollständig zu informieren, oft
dazu, dass die Betroffenen fast keine of­
fizielle Information erhalten. Dieses In­
formationsvakuum nährt Gerüchte und
Halbwahrheiten, die wiederum Ängste
Für die Topmanager von Unternehmen ist
es oft ein Höhepunkt ihrer Karriere, wenn
sie verkünden können: „Unser Unterneh­
men übernimmt einen Wettbewerber.“
Entsprechend zuversichtlich sind zu die­
sem Zeitpunkt meist ihre Zukunftsprog­
nosen: „Durch die Fusion steigt unser
Marktanteil um 12 und unser Umsatz um
18 Prozent. Außerdem erzielen wir hohe
Synergieeffekte.“ Oder: „Durch die Fusion
erschließen sich uns neue Geschäftsfelder
und Absatzmärkte. Dadurch eröffnen sich
uns ganz neue Perspektiven.“
Umso ernüchternder ist oft der Alltag
nach dem Verkünden der Übernahme
oder Fusion. Denn oft unterschätzen die
Topmanager die Tücken des damit ver­
bundenen Integrationsprozesses – spezi­
ell auf der kulturellen Ebene. Denn die
Kultur eines Unternehmens lässt sich an­
ders als dessen Strukturen und Prozesse
nur bedingt mit solchen Instrumenten
wie Organigrammen und Ablaufdiagram­
Fusionen erfolgreich managen
UNTERNEHMENSKULTUR.
In den Strukturen, Abläufen und Prozessen eines Unternehmens
spiegelt sich auch dessen Kultur wider. Das sollten Manager beachten, wenn sie Fusionen
planen. Sonst werden die mit der Umorganisation verbundenen Ziele nicht erreicht.
Dr. Georg Kraus
ist geschäftsfüh-
render Gesell-
schaf ter
der
Unternehmensbe-
ratung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal
r ist
unter anderem Lehrbeauftragter an
der Universität Karlsruhe, der IAE in
Aix-en-Provence, der St. Galler Busi-
ness-School und der technischen Uni-
versität Clausthal.
Dr. Kraus & Partner
Werner-von-Siemens-Str. 2-6
76646 Bruchsal
Tel. 07251 989034
AUTOR
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