wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 25

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wirtschaft + weiterbildung
02_2016
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„Wie produzieren wir die bestmögliche
Sendung?“, das ist die zentrale Frage
vieler Fernsehredaktionen. Damit die Re-
daktionsmitglieder ihr kreatives Potenzial
voll ausschöpfen können, müssen sie eine
gute Teamleistung erbringen. Manchmal
ist das jedoch gar nicht so einfach – etwa,
weil ein schwieriges Veränderungsprojekt
ansteht oder weil sich über die langjäh-
rige Zusammenarbeit Verhaltensmuster
eingeschlichen haben, die die Kreativität
des Teams schwächen. Anhand von drei
Beispielen möchte ich vorstellen, wie es
mit Teamcoaching gelingen kann, diese
Teams zu stärken, sodass sie wieder ihr
volles Potenzial entfalten können.
Beispiel 1:
Team der ARD-Tochter Degeto
Die ARD Degeto ist ein 100-prozentiges
Tochterunternehmen der ARD. Sie pro-
duziert und kauft Filme für die ARD und
deren Werbetöchter. Jahrzehntelang gal-
ten die Degeto-Produktionen als Quoten-
garanten. Doch dann geriet die Degeto
aus inhaltlichen und personellen Grün-
den in die Diskussion. Unter dem Schlag-
wort „Süßstoff-Fabrik“ forderten Fernseh-
kritiker, Medienpolitiker und Aufsichts-
gremien von der Degeto mehr Relevanz
und Vielfalt. Der neue Redaktionsleiter
Sascha Schwingel plante daher, die Stra-
tegie anzupassen, um neue Zielgruppen
zu erschließen – möglichst, ohne Stamm-
zuschauer zu verlieren. Dabei stellte er
sich die Frage, wie er sein erfahrenes
und selbstbewusstes Team mitnehmen
und möglichst schnell Erfolge vorwei-
sen kann. Um den Veränderungsprozess
zu starten, beschloss Schwingel, für sein
Team einen moderierten Zuschauertag zu
veranstalten.
Beispiel 2:
Team des ARD-Mittagsmagazins
Das Team der Sendung „ARD-Mittagsma-
gazin“ besteht aus zahlreichen erfahre-
nen Redakteuren, die in Zusammenarbeit
mit Reportern in Deutschland und Korre-
spondenten im Ausland ein tagesaktuel-
les Nachrichtenmagazin für „Das Erste“
gestalten. Vor dem Hintergrund eines sich
verändernden Mediennutzungsverhaltens
und eines alternden Publikums beschloss
die Redaktion, sich coachen zu lassen.
Das Ziel: Die Arbeitsabläufe des Teams
und die Programminhalte unter die Lupe
zu nehmen und damit die Qualität der
Sendung zu optimieren.
Beispiel 3:
Team des Grimme-Instituts
Auch das angesehene Grimme-Institut in
Marl stand vor neuen Herausforderun-
gen durch die rapiden Veränderungen in
der Medienlandschaft. Der renommierte
Grimme-Preis ist traditionell ein Preis für
„gutes Fernsehen“ – doch was bedeu-
tet das in Zeiten, in denen immer mehr
(junge) Zuschauer sich vom klassischen
Fernsehen verabschieden und Streaming-
dienste, Mediatheken und andere zeit­
unabhängige Internetangebote nutzen?
Die neue Chefin des Grimme-Instituts,
Frauke Gerlach, ludt deshalb zu mehre-
ren moderierten Werkstattgesprächen mit
Grimme-Mitarbeitern und externen Ak-
teuren ein. Auf dieser Grundlage plante
sie Entscheidungen über die Zukunft des
Grimme-Preises treffen.
Workshop-Dramaturgie in
vier Phasen
Diese drei Fallbeispiele lassen sich auch
auf andere behördenartige Konzernstruk-
turen übertragen: Etablierte Teams sind
angesichts dramatisch veränderter Rah-
menbedingungen gefordert, individuelle
Lösungen zu finden – auch, um sich
selbst von quälenden Grundsatzdiskussi-
onen im Arbeitsalltag zu entlasten. Dabei
kann im Normalfall nicht mit Gratifikati-
onen, Sanktionen oder Umstrukturierun-
gen gearbeitet werden. Ein Teamcoach,
der diese Veränderungs- und Wachstum-
sprozesse unterstützen möchte, benötigt
neben dem bewährten methodischen
Handwerkszeug ein gutes Standing und
größtmögliche Flexibilität sowie Humor
und Sturmfestigkeit.
Bewährt hat sich beim Teamcoaching
eine Workshop-Dramaturgie in vier Pha-
sen:
Phase 1:
das Erreichte würdigen, die
„coachablen“ Themen identifizieren
Phase 2:
zwischen Selbst- und Fremd-
wahrnehmung differenzieren (durch
das Hinzuziehen externer Gesprächs-
partner)
Phase 3:
gemeinsam konkrete Lösun-
gen und Ziele erarbeiten
Phase 4:
die erarbeiteten Verabredun-
gen nach der Umsetzungsphase prüfen.
Durch die Integration eines externen
Blicks in
Phase 2
werden lieb gewonnene
Glaubenssätze hinterfragt, blinde Flecken
erhellt und der nötige Veränderungsdruck
erzeugt. Dies ist besonders in langjähri-
gen, stabilen Teams in behördenartigen
Strukturen hilfreich und notwendig, weil
das Feedback von außen einen (selbst-)
kritischen Diskurs der Teammitglieder
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