wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 27

wirtschaft + weiterbildung
02_2016
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forschungsinstitut hat mir berichtet, dass
zahlreiche Zuschauer gemailt haben, wie
toll und interessant es bei uns war – ein
solches Feedback sei ganz ungewöhn-
lich“, so die Rückmeldung der Degeto-
Redaktion.
Redaktionsleiter Sascha Schwingel be-
richtet viele Monate nach demWorkshop,
dass sich die Redakteure in Sitzungen
immer noch auf das Feedback der Zu-
schauer beziehen und die zum Teil über-
raschenden Erkenntnisse nachhaltig wir-
ken. Doch es gibt auch Herausforderun-
gen: Zum einen dauert der mehrstufige
Qualitätsprozess aus organisatorischen
Gründen länger als ursprünglich geplant.
Zum anderen zeigen die Fernsehquoten,
dass die neue Strategie der Degeto zwar
wie erhofft jüngere Zuschauer anspricht,
das Stammpublikum mit den neuen Fil-
men aber zuweilen fremdelt. Bei jünge-
ren Stoffen und Erzählweisen schalten
die treuen älteren Zuschauer gelegentlich
weg – ein durchaus vorhergesehener Um-
stand, auf den Redaktionsleiter Sascha
Schwingel nun reagiert. Er möchte das
Profil der Sendeplätze weiter schärfen
und setzt zudem auf eine Kombination
aus bewährten Schauspielern und zeitge-
mäßen Erzählweisen.
Ergebnisse des Teamcoa-
chings: ARD Mittagsmagazin
Das Team des ARD-Mittagsmagazins hat
in einem ersten Workshop eine Bestands-
aufnahme der Zusammenarbeit gemacht
und das quantitative und qualitative
Feedback der Zuschauer und externer
Kollegen eingeholt. Durch das Feedback
von außen und die anschließenden Grup-
pendiskussionen zu einzelnen Aspek-
ten, die im Plenum präsentiert wurden,
konnte die eingeübte Diskussionskultur
aufgebrochen und Teammitglieder unab-
hängig von ihrem hierarchischen Stan-
ding in die Lösungsfindung eingebunden
werden. Genau ein Jahr später hat die
Redaktion des „ARD-Mittagmagazins“
die getroffenen Verabredungen in einem
zweiten Teamcoaching-Workshop unter
meiner Leitung überprüft, aktualisiert,
zum Teil neu diskutiert und weiterent-
wickelt. Die Anwesenheit und aktive
Teilnahme des Chefredakteurs des Bay-
erischen Rundfunks und des ARD-Chef-
redakteurs waren ein deutliches Zeichen
für die Relevanz, die diesem Workshop
innerhalb der ARD beigemessen wurde.
„Die Ergebnisse wurden von allen Seiten
als äußerst positiv bewertet“, bilanzierte
Redaktionsleiter Klemens Hübner. Die
Herausforderung des „Mittagsmagazin“-
Teams besteht nun darin, den begonne-
nen Veränderungsprozess selbstständig
weiterzuführen und regelmäßig den ex-
ternen Blick einzufordern. Dieses Ziel
muss vor dem Hintergrund begrenzter
Medienforschungs- und Coachingkapazi-
täten erreicht werden.
Ergebnisse des Teamcoa-
chings: Grimme-Institut
Auch bei den Multiplikatorenworkshops
des Grimme-Instituts in Berlin und Köln
haben sich die vier Phasen bewährt:
Würdigen, was als starke Marke vorhan-
den ist (Phase 1); wahrnehmen, wie der
Grimme-Preis von außen gesehen wird
(Phase 2); Wege finden, um die notwen-
digen Veränderungen zu gestalten (Phase
3); und schließlich wiederkommen, um
die getroffenen Verabredungen zu über-
prüfen und zu evaluieren (Phase 4). Die
Rolle des Teamcoachs war auch in diesem
Falle eine aufmerksame und ergebnisori-
entierte Moderation.
Der bekannte Medienkritiker Hans Hoff
berichtet in der Süddeutschen Zeitung
über diesen Veränderungsprozess: „Mit
der in mehreren Werkstattgesprächen
erarbeiteten Reform soll der Grimme-
Preis auch geöffnet werden für neue
Verbreitungswege. Ob eine Produktion
nun im Internet läuft oder gar im Kino,
spielt künftig eine eher untergeordnete
Rolle.“ Und er zitiert die neue Chefin des
Grimme-Instituts, Frauke Gerlach: „In-
novation und Qualität für gegenwärtiges
und zukunftsweisendes Fernsehen soll
im Zentrum des Preises stehen, egal auf
welchem Weg – Tablet oder Fernseher –
der Inhalt verbreitet wird.“ Das Grimme-
Institut hat die Neupositionierung des
Grimme-Preises mittlerweile erfolg-
reich kommuniziert und umgesetzt. Der
nächste Schritt wird sein, die zahlreichen
Akteure nach der Preisverleihung erneut
um ein Feedback zu bitten, die Reaktio-
nen zu systematisieren und zu gewichten
und daraus entsprechende Lerneffekte
zu erzielen. Dabei wird es eine Heraus-
forderung sein, die Stimmen der „Tradi-
tionalisten“ und der „Modernisierer“ zu
versöhnen.
Teamcoaching: Kriseninterven-
tion und Standardinstrument
Die Beispiele zeigen: Teamcoaching ist
individuell, spezifisch, ergebnisorientiert.
Es gibt dem Team einen bewertungsfreien
Rahmen, um zu eigenen Lösungen zu
kommen. Im Gegensatz zum Training
kann Teamcoaching helfen, die einzel-
nen Teammitglieder auf Augenhöhe mit-
einander ins Gespräch zu bringen, Kon-
flikte und Blockaden zu bearbeiten und
zu lösen, selbstsabotierende „Spielchen“
zu beenden und das Potenzial des Teams
als einer Gruppe von selbstwirksamen
Erwachsenen mit einem gemeinsamen
Ziel zu heben. Der Coach nutzt das im
Team (und nur dort) vorhandene Wis-
sen um die eigenen Situation und die
Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der
vorgegebenen Rahmenbedingungen, um
zu schnellen, passenden Lösungen zu
kommen.
Auf diese Weise kann Teamcoaching so-
wohl als Krisenintervention als auch als
Standardinstrument der Qualitätssiche-
rung in Behörden und öffentlich-rechtli-
chen Anstalten nachhaltig gute Dienste
leisten.
Anja Würzberg
Anja Würzberg
leitet eine Fern-
s e h r e d a k t i o n
beim Norddeut-
schen Rundfunk
in Hamburg und ist zertifizierter Team-
coach. Sie berät erfahrene Teams vor
neuen Herausforderungen und in
Fusionsprozessen, außerdem berät
und coacht sie Teams zur Leistungs-
und Workflowoptimierung, Teams mit
Konflikten und unter neuer Führung.
Anja Würzberg
Tel. 0172 9014242
AUTORIN
Foto: ARD-Mittagsmagazin
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