wirtschaft und weiterbildung 2/2016 - page 44

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
02_2016
wünschen, um besser arbeiten zu können
– jedoch keine Charakter-, sondern nur
Verhaltensänderungen.
Die eigentliche Konfliktmoderation kann
bei einem Konflikt zwischen zwei Mit-
arbeitern nach den gängigen Regeln der
Wirtschaftsmediation wie folgt ablaufen:
1. Schritt:
Einsteigen.
Meist kommen die Mitarbeiter voller
Emotionen zur Konfliktmoderation. Des-
halb sollte der Konfliktlotse zu Beginn ei-
nige Worte zum Thema Konflikte sagen:
„Konflikte gibt es überall – nicht nur im
Betrieb. Außerdem entstehen Konflikte
stets aufs Neue. Zum Beispiel, weil sich
die Anforderungen ändern. Also müssen
auch immer wieder neue Lösungen ge-
funden werden ...“
Danach sollte er den Streithähnen noch-
mals erklären, worum es bei der Kon-
fliktmoderation geht: um ein Lösen des
Konflikts. Jedoch nicht in der Form, dass
alle Emotionen und Erfahrungen der
Vergangenheit bearbeitet werden. Auch
nicht in der Form, dass der Konflikt durch
formale Regelungen zugedeckt wird.
Vielmehr soll die Arbeitsbeziehung neu
ausgehandelt und das Verhalten an den
Schnittstellen der Tätigkeitsfelder der bei-
den Mitarbeiter so geregelt werden, dass
beide damit leben und ihren Job besser
machen können.
2. Schritt:
Regeln definieren.
Danach sollte der Konfliktlotse mit den
Konfliktpartnern Regeln für die Modera-
tion definieren. Zum Beispiel:
• Beide stellen Forderungen an das Ver-
halten des jeweils anderen.
• Diese werden nach dem Prinzip
„Geben und Nehmen“ ausgehandelt.
• Die Absprachen werden schriftlich fi-
xiert.
Vereinbart werden sollte auch, was im
Raum bleibt und worüber mit Dritten ge-
sprochen werden darf.
3. Schritt:
Die Aufgaben des Konflikt-
lotsen klären.
Der Konfliktlotse sollte mit den Konflikt-
partnern auch seine Aufgaben und seine
Rolle klären – zum Beispiel:
• Ich verhalte mich als Konfliktlotse neu-
tral und achte auf das Einhalten der Re-
geln.
• Ich verhindere, dass über Undiskutier-
bares, also zum Beispiel die Ziele des
Unternehmens, verhandelt wird.
• Ich beachte, dass keine Vereinbarungen
zu Lasten Dritter getroffen werden.
4. Schritt:
Themen/Forderungen
sammeln.
Nachdem die Formalien geklärt sind,
kann der Konfliktlotse die Beteiligten zum
Beispiel bitten, auf einem Formblatt fol-
gende Aussagen zu ergänzen:
• „Es würde mir helfen, effektiver zu ar-
beiten, wenn Sie Folgendes mehr/an-
ders tun würden: ...“
• „Es würde mir helfen, effektiver zu ar-
beiten, wenn Sie Folgendes weniger/
nicht mehr tun würden: ...“
• „Bitte behalten Sie folgende Aktivitäten
bei, die mir helfen, effektiv zu arbeiten,
und zwar: ...“
5. Schritt:
Verständnis klären.
Die ausgefüllten Formblätter können ko-
piert oder so aufhängt werden, dass jeder
sie lesen kann. Danach bittet der Konflikt-
lotse die Konfliktpartner, die Forderungen
oder Wünsche des jeweils anderen mit
eigenen Worten laut zu formulieren. „Sie
wollen, dass ich ...“ Der andere soll die
Aussage entweder bestätigen oder korri-
gieren. Sofern nötig, bittet der Konflikt-
lotse um Beispiele für das gewünschte
Verhalten, um das Verständnis sicherzu-
stellen.
6. Schritt:
Forderungen priorisieren und
aushandeln.
Danach können beide Konfliktparteien
die Forderungen markieren, die ihnen
besonders wichtig sind. Außerdem gilt
es, die Forderungen offenzulegen, die
verhandelbar sind. Anschließend unter-
breiten sie sich wechselseitig Angebote.
Zum Beispiel: „Wenn Sie mich zeitnah in-
formieren, würde ich dafür ...“. Der Kon-
fliktlotse achtet dabei darauf, dass das
Aushandeln ein wirkliches Geben und
Nehmen ist.
7. Schritt:
Absprachen treffen und
protokollieren.
Der Konfliktlotse notiert die getroffenen
Absprachen. Dass beim Aushandeln der
künftigen Arbeitsbeziehung auch mal
die Emotionen hochkochen und Erleb-
nisse aus der Vergangenheit geschildert
werden, ist normal. Das sollte der Kon-
fliktlotse zulassen, damit der Druck aus
dem Kessel weicht. Dabei muss er jedoch
Fingerspitzengefühl zeigen, um zu ver-
hindern, dass sich beim Gegenüber Druck
aufbaut.
R
Sabine Prohaska
ist Inhaberin des
Trainings- und
Beratungsunter-
nehmens Seminar
Consult Prohaska, das unter ande-
rem Trainer und Coachs ausbildet. Im
Oktober 2013 erschien ihr Buch „Coa-
ching in der Praxis: Tipps, Übungen
und Methoden für unterschiedliche
Coaching-Anlässe“.
Seminar Consult Sabine Prohaska
Märzstraße 55/13, A-1150 Wien
Tel. +43 664 3851767
AUTORIN
Friede den Büros.
Bei innerbetrieblichen Konflikten ist schon
viel erreicht, wenn die „Gegner“ die Boxhandschuhe ausziehen.
Sie müssen nicht Freunde werden.
Foto: Image Source / Corbis
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