wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 50

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
04_2016
Zu jeder Phase gibt es zwischen zehn und
zwanzig Seiten detaillierte Erklärungen
und Hinweise zu sinnvollen Interventio-
nen. Das Phasenmodell besteht aus fol-
genden Einheiten:
1.
Synchronisation:
Einander kennenler-
nen, erste Orientierung, Problemver-
stehen, Lösungsauftrag, Kontrak.
2.
Lösungsvision.
Merkmale der Lösung
mithilfe von fünf Lösungsschlüsseln
explorieren und bewusst machen.
3.
Lösungsverschreibung:
Ressourcen
identifizieren und im Rahmen von
Hausaufgaben nutzen.
4.
Lösungsbegleitung:
Den Klienten in sei-
nen Aktivitäten unterstützen.
5.
Lösungsevaluation:
Annäherung an die
Lösung erkennen und den Klienten in
seinem Lösungshandeln erneut verstär-
ken. Eine Konzeption der weiteren Ver-
änderungsschritte erarbeiten.
6.
Lösungssicherung:
Dem Klienten als
Gestalter seines Lebens gratulieren und
die Beratung beenden.
Das Phasenmodell wird natürlich auch
anhand eines ganz praktischen Fallbei-
spiels, das sich über 25 Seiten erstreckt,
beschrieben. Unabhängig davon glänzt
das Buch an jeder passenden Stelle mit
konkreten Interventionsbeispielen und
Übungen, die durch Infokästen hervorge-
hoben werden.
Trotz seines großen Erfahrungsvor-
sprungs lädt Bamberger die Leser dazu
ein, an diesem Modell individuelle An-
passungen und Erweiterungen vorzuneh-
men. Der Autor selbst liefert Argumente,
warum es bald eine siebte Phase geben
wird: Ihm fehlt die langfristige Erfolgs-
kontrolle durch ein Follow-up-Gespräch
nach sechs Monaten. Überhaupt legt
Bamberger viel Wert auf Qualitätssiche-
rung (eigenes Kapitel mit Kritikbögen für
Klienten), erklärt den Nutzen des E-Mail-
Coachings und plädiert für eine Selbst-
fürsorge des Beraters (ebenfalls in einem
eigenen Kapitel). Was das Buch sonst
noch bietet, sollte für jedes Fachbuch
selbstverständlich sein, fehlt aber in der
Regel: ein ausführliches Literatur- und
Stichwortverzeichnis und die Möglich-
keit, sich Online-Materialien herunterzu-
laden (Beltz bietet nicht nur Checklisten
und Testunterlagen, sondern auch einen
45-minütigen Vortragsmitschnitt).
Kritik und Selbstkritik
Es ist Bamberger hoch anzurechnen, dass
er die Kritik am lösungsorientierten An-
satz erwähnt, sodass der Leser dessen
Grenzen und die durchaus vorhandenen
Vorzüge einer ausführlichen Problem-
würdigung erkennen kann. Bei Menschen
mit bestimmten inneren Konflikten oder
Schuldgefühlen verhindert das Unbe-
wusste nämlich, dass sie in langfristig
tragfähigen Lösungen denken. Stark ist,
dass der Autor eigene Anfängerfehler
(Euphorie, Allmachtsfantasien, Inter-
ventionismus) schildert und erklärt, wie
mühsam echte Professionalität entsteht.
Martin Pichler
R
Glaubensbekenntnis.
Günter G. Bamberger hat seine per-
sönliche Einstellung zur lösungsorientierten Beratung defi-
niert und in der fünften Auflage seines Buchs „Lösungsori-
entierte Beratung“ (Beltz) veröffentlicht:
· Ich glaube, dass Klienten eigenständig, eigenmächtig und
eigenverantwortlich sind – und sich darin die Expertise für
ihr Leben begründet.
· Ich glaube, dass Klienten ursprünglich gute Gründe hat-
ten, sich so zu verhalten, wie sie es gegenwärtig (noch) tun.
· Ich glaube, dass Klienten ein feines Gespür dafür haben,
wann sie durch eine Änderung ihres Verhaltens ihr Leben
erweitern sollten.
· Ich glaube, dass Klienten über ein großes inneres Wissen
verfügen, um solche Änderungen anzugeben.
· Ich glaube, dass Klienten – mit einem guten Vertrauen zu
sich selbst – dieses Wissen in konkretes Tun umsetzen
können.
· Ich glaube, dass Klienten mit solch neuem Tun ihre indivi-
duellen Kompetenzen und die aktuellen Anforderungen in
ihrem Leben wieder in eine gute Übereinstimmung bringen
und so Entwicklung realisieren.
· Ich glaube, dass Klienten in dieser Entwicklung ihren
grundlegenden Bedürfnissen nach Autonomie wie auch
nach Zugehörigkeit folgen und dabei dem Sinn menschli-
cher Existenz begegnen.
· Und ich glaube, dass Berater mit diesen Glaubenssätzen
gute Modelle für Klienten sind – Modelle für das Vertrauen
in sich selbst, für das Vertrauen in andere und für Ver-
trauen in das Leben.
Günter G. Bamberger
Ganz persönliches Credo
Foto: BFTC
Vorbilder.
Steve de Shazer und Insoo Kim
Berg gelten als die Erfinder des lösungs-
orientierten Beratungsansatzes.
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