training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
04_2016
einem Fachbuch ihre Bekanntheit stei-
gern wollen, lassen sich beim Schreiben
vom „Bikini-Prinzip“ leiten: einiges an-
deuten, aber Entscheidendes verdecken.
Solche Autoren vom Typ „Verratnix“
sorgen dafür, dass Oberflächliches den
Markt der Management- und Weiterbil-
dungsliteratur beherrscht. Gegen diesen
Trend wollen wir angehen und unregel-
mäßig „Verschweignix“-Bücher würdi-
gen. Das sind Bücher, in denen die Auto-
ren ihr vollständiges Know-how in Form
von hintergründigen Texten und prakti-
schen Werkzeugen mit der Welt teilen.
Blick auf die Ressourcen
Ganz gleich wie viele Jahre sich Bamber-
ger schon mit der Lösungsorientierung
auseinandersetzt: Die zentrale Frage
lautet, wie ein Coach zu diesem sagen-
haften „Dietrich“ kommt, der die Tür zur
Lösung öffnet. Die Antwort lautet, dass
man beim Klienten hilfreiche Ressourcen
aktivieren muss. Weg von der Problem-
analyse und hin zu einer radikalen Res-
sourcenorientierung! In der Praxis gibt
es drei zentrale Ansätze, die beschrei-
ben, wie ein Coach seinen Klienten dazu
bringt, sich seiner Ressourcen bewusst zu
werden. Zum einen sind es die „lösungs-
orientierten Fragen“ des Coachs und zum
anderen sind es dessen „Komplimente“
an den Ratsuchenden (sobald der kleine
Fortschritte zeigt) und zum dritten sind
es „Hausaufgaben“, die der Coach dem
Klienten gibt, damit er das lösungsorien-
tierte Denken einübt.
Bamberger wird nicht müde, darauf hin-
zuweisen, dass es die Ressourcen des
Klienten sind, die Entwicklung und Ver-
änderung ermöglichen. Insofern soll der
Berater oder Coach immer wieder das
Gespräch auf die Ressourcen fokussieren
und damit ein Bewusstsein von Selbst-
wirksamkeit verstärken. Das beginnt
mit dem Mut, an einer Problemlösung
zu arbeiten (Coach: „Wie haben Sie die
Energie aufgebracht, das Problem nicht
mehr länger zu ertragen, sondern jetzt
entschieden in Angriff zu nehmen?“),
geht über die Kreativität bei früheren
Problemlösungen (Coach: „Über wel-
che besonderen Fähigkeiten verfügt je-
Traditionell arbeitende Coachs wollten
einen „Schlüssel“, der haargenau zu
einem bestimmten „Schloss“ passe. Des-
halb müssten sie alles über das „Schloss“,
das Problem des Klienten, wissen. Lö-
sungsorientiert arbeitende Coachs be-
gnügten sich mit einem „Dietrich“ nach
dem Motto: „Hauptsache die Tür geht
auf.“ Mit diesem Beispiel beschrieb der
Diplom-Psychologe Günter G. Bamberger
in der „Wirtschaft +Weiterbildung“ vom
November 2005 das, was das lösungsori-
entierte Denken von anderen psychologi-
schen Richtungen unterscheide. Wörtlich
sagte er: „Es ist nicht nötig, dass es ein
Dietrich mit der Komplexität eines Schlos-
ses aufnehmen kann.“ 2005 war gerade
die dritte Auflage seines Buch „Lösungs-
orientierte Beratung“ erschienen und
Bamberger galt schon damals aufgrund
seiner Arbeit beim Psychologischen
Dienst der Agentur für Arbeit in Tübingen
als praxiserfahrener Experte für den „lö-
sungsorientierten Ansatz“, der von dem
US-Therapeuten Steve de Shazer und
dessen Frau Insoo Kim Berg entwickelt
wurde.
Zu viele „Verratnix“-Bücher
Ende des Jahres 2015 kam die fünfte, völ-
lig überarbeitete Auflage des Buchs „Lö-
sungsorientierte Beratung“ auf den Markt
– noch umfassender und mit noch mehr
persönlicher Erfahrung angereichert als
die vorhergehenden Ausgaben. Für die
Redaktion von „Wirtschaft + Weiter-
bildung“ war das der letzte Impuls, die-
ses Buch in unsere Liste der wertvollen
„Verschweignix-Bücher“ aufzunehmen.
Viel zu viele Trainer und Berater, die mit
Das Verschweignix-Buch Nr. 2
stammt von G. G. Bamberger
KNOWLEDGE SHARING.
Wir zeichnen „Verschweignix“-Bücher aus, in denen Trainer ihr
aktuelles Know-how, das auf echter Felderfahrung beruht, mit anderen ohne Einschrän
kungen teilen. Das zweite Buch in unserer Serie verdanken wir Günter G. Bamberger. Er hat
seine Erfahrungen mit der lösungsorientierten Beratung zu einem Bestseller verarbeitet.
Foto: Rainer Berg/Westend61 / Corbis