wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 54

messen und kongresse
54
wirtschaft + weiterbildung
04_2016
her, die anders arbeiten sollen als man
das früher gemacht hat. Andere gehen
gezielt an den Standort Berlin, weil sie
da vielleicht Leute kriegen, die nicht in
anderen Städten arbeiten möchten. Dabei
geht es aber immer darum, die eigenen
Mitarbeiter in eine innovative Commu-
nity zu integrieren.
Wie bringen Sie Start-ups und etablierte
Unternehmen nun eigentlich konkret
zusammen?
von der Ahé:
Wir stricken für die Corpo-
rates spezifische Accelerator-Programme,
bei denen sie in die Start-ups investieren
oder mit ihnen zusammen arbeiten. Die
Unternehmen können Service-Accelerator
sein oder Go-to-Market-Accelerator. Als
Early-stage-Partner kennen wir die Start-
up-Szene sehr gut. Bei Betapitches, bei
dem junge Teams aus allen möglichen Be-
reichen mitmachen können, screenen wir
ungefähr 500 Start-ups pro Jahr in ver-
schiedenen Städten wie Berlin, Hamburg,
Sofia, Barcelona, Sao Paulo oder Seoul
in Südkorea. Da haben wir einen un-
glaublichen Durchlauf und kennen sehr
viele Erfolgsgeschichten. Diese Kontakte
in die Community nutzen wir auch für
die sogenannten Top-Talent-Programme
der Firmenkunden. Denn die Unterneh-
men haben inzwischen gemerkt, dass
die Anzahl der guten Teams da draußen
beschränkt ist und viele Unternehmen
sich um sie streiten. Deshalb setzen die
Corporates nun auch darauf, den eige-
nen Mitarbeitern eine Art „Entrepreneur-
Denke“ einzuimpfen. Sie sollen möglichst
viele Start-ups kennenlernen, damit der
Funke überspringt.
Worauf kommt es vor allem an, damit
die Zusammenarbeit zwischen Corpo-
rates und Start-ups erfolgreich verläuft?
von der Ahé:
Jedes Unternehmen sollte
wissen, dass es einen langen Atem
braucht, um einen Innovationstransfer zu
erreichen. Wenn eine Firma glaubt, dass
Innovationsquellen von außen effekti-
ver sind als das, was man intern in der
gleichen Zeit entwickeln kann oder dies
einfach mal parallel versuchen möchte,
muss klar sein, dass diese Innovation von
außen nicht von heute auf morgen funk-
tioniert. Das klassische Return-on-Invest-
ment-Denken ist hier fehl am Platz. Jedes
Corporate funktioniert anders und man
muss herausfinden, was für die eigene
Firma passt. Das ist eine Kulturfrage.
Wichtig sind feste Kapazitäten, die nicht
zu stark ergebnisorientiert arbeiten müs-
sen. Dann sollten sich die Firmen auch
überlegen, ob die eigenen Prozesse mit
Experimenten von Start-ups kompatibel
sind. Klassischer Fall: Wir machen eine
Challenge für ein Unternehmen. Da geht
es beispielsweise um ein Problem, das
in einem Konzern schon lange besteht.
Dann gibt es einen Lösungsvorschlag,
aber die Zusammenarbeit scheitert daran,
dass zum Beispiel Datenschutzbestim-
mungen nicht zu der Lösung passen.
Oder alles verzögert sich viel zu lange.
Was macht die Innovationskraft von
Start-ups aus Ihrer Sicht eigentlich aus?
von der Ahé:
Das wichtigste Element ist
ihre Agilität. Damit meine ich, dass sie
nicht zu lange den falschen Weg gehen.
Das kann nur im Konzern passieren und
nicht im Start-up. Wenn sich ein Start-up
Wie funktioniert Coworking denn in der
Praxis?
Maximilian von der Ahé:
Coworking gibt
es in ganz verschiedener Couleur. Bei uns
im Betahaus heißt Coworking, dass sich
verschiedene Marktteilnehmer begegnen
und an einem Ort zusammen sind. In Ber-
lin haben wir ungefähr 550 aktive Mitglie-
der aus rund 350 verschiedenen Firmen.
Die Gruppe unterteilt sich in ein Drittel
Freelancer, ein Drittel Start-ups und ein
Drittel Corporates. Eine Besonderheit ist
auch die hohe Internationalität: Über 50
Prozent der Leute, die hier arbeiten, kom-
men nicht aus Deutschland. Wir bieten
eine ganze Reihe von Formaten an, die
dazu führen, dass sich diese Gruppen
gut kennenlernen und oft zusammen-
kommen. Da ist zum Beispiel das Beta-
Breakfast, bei dem jeden Donnerstag drei
Teams aus dem Haus – mal Corporates,
mal Start-ups, mal Freelancer – für die an-
deren pitchen. Dann gibt es Beta-Bier, im
Grunde das Gleiche am Abend, und den
Tupperware Tuesday, bei dem Mitglieder
dienstags zusammen essen. Dazu bieten
wir jede Menge Meet-ups zu unterschied-
lichen Themen. Häufig kommen dazu
auch externe Gruppen ins Haus.
Auch Großunternehmen wie Daimler
mieten sich im Betahaus ein. Was haben
die davon?
von der Ahé:
Das ist sehr unterschiedlich.
Manche Corporates wie Daimler, Ernst
& Young oder Deutsche Bahn haben vor
Ort einen Raum oder einen Schreibtisch.
Manche schätzen das nicht-klassische
Unternehmensumfeld und schicken zum
Beispiel ihre Innovationsabteilungen hier-
Start-ups setzen auf Lernen
durch Job-Rotation
PERSONAL 2016 NORD.
Start-ups gelten als Vorbild. Gerade wenn es um die Innovations-
fähigkeit der Gründer geht, möchte man sich eine Scheibe abschneiden. Wie könnte das
gelingen? Wir sprachen mit Max von der Ahé, Gründer des Coworking Space „Betahaus“
in Berlin. Von der Ahé wird auf der „Personal 2016 Nord“ eine Keynote zum Thema „Wie
Corporates von Start-ups profitieren“ halten.
1...,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53 55,56,57,58,59,60,61,62,63,64,...68
Powered by FlippingBook