wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 23

wirtschaft + weiterbildung
04_2016
23
einer Qualifizierung durch die Teilnehmer
selbst organisiert. Diese Übergänge kön-
nen durch Erfahrungsberichte, Best Prac-
tices, die gemeinsame Bearbeitung von
Erfahrungsberichten, etwa aus Projekten,
den Aufbau und die Weiterentwicklung
eines Wissenspools mit Erfahrungswis-
sen, Dokumenten und Links sowie durch
die Erarbeitung von Arbeitshilfen geför-
dert werden.
Jeder Lerner gestaltet in der Sozialen
Lernplattform sein persönliches E-Port-
folio mit einer digitalen Sammlung von
Dokumenten, insbesondere persönlichen
Arbeiten, und dokumentiert seine Lern-
ergebnisse (Produkt) und den Lernweg
(Prozess) seiner Kompetenzentwick-
lung. Diese Unterlagen können Office-
Dokumente, Weblogs, Wikis, Podcasts
sowie Audio- oder Videomitschnitte aus
Vorträgen oder Diskussionen sein. Das
Ziel ist hierbei, mit diesen Werkzeugen
die Wahrscheinlichkeit für die angestreb-
ten Lernerfolge möglichst hochzuset-
zen. Weiterhin umfasst das E-Portfolio
einen Bereich, in dem der Lerner seine
Lernprozesse reflektiert („mein Spiegel“)
sowie das persönliche soziale Netzwerk
(„Freunde“) pflegt. Bald werden wir
wie selbstverständlich unser E-Portfolio,
quasi wie eine persönliche „Lerntasche“,
mitnehmen, wenn wir die Bildungsinsti-
tution oder den Arbeitgeber wechseln.
Neue Rollen für Trainer und
Personalentwickler
Im digitalen Zeitalter mit den neuen
Bildungstechnologien ist es nicht mehr
notwendig, sich an einem Ort zu ver-
sammeln, um sich Wissen im Präsenz-
unterricht anzueignen. Die kostbaren
„Kontaktzeiten“ mit Lehrkräften und
Mitlernenden können vielmehr dazu ge-
nutzt werden, komplexere Erfahrungen
mit sich selbst und im Umgang mit an-
deren Menschen zu sammeln, darüber zu
reflektieren und neue Handlungsweisen
auszuprobieren.
Aufgrund dieser Entwicklung werden
sich einige „Rollen“ ändern:
• Die „Lernplaner“, also die bisherigen
Personalentwickler, konzentrieren sich
künftig auf die Entwicklung, die Imple-
mentierung und die Organisation des
Lernrahmens. Sie eröffnen den Lernern
Zugänge zu Wissensquellen und zu
Lernlandschaften.
• Die Lernbegleiter, die bisherigen Trai-
ner, schaffen Bedingungen für die
Selbstorganisation der Lernenden und
ermöglichen damit die selbstorganisier-
ten Lernprozesse der Lerner. Sie beglei-
ten die Lernenden auf ihrem Weg der
Suche, Erprobung und Aneignung.
Es reicht deshalb nicht aus, teilnehmer-
orientierte Lernphasen in die bisherige
Wissensvermittlung zu integrieren. Die
Lehrer müssen vielmehr die Freiheit er-
halten, ihre individuellen Lernprozesse,
ausgerichtet auf ihre Herausforderungen
in Projekten oder in der Praxis, selbstor-
ganisiert zu gestalten. Die Lernbegleiter
können dabei selbstorganisierte Lernpro-
zesse unterstützen, indem sie kompetenz­
orientierte Lernszenarien ermöglichen,
Eigenverantwortung der Lerner zulassen
und das soziale Lernen mit Lernpartnern
und in Netzwerken fördern. Ihre Kern-
aufgabe besteht darin, vielfältige Erpro-
bungs- und Handlungsmöglichkeiten zu
schaffen, indem sie herausfordernde Pra-
xisprojekte initiieren oder die Zusammen-
führung von Lernen und Arbeiten sowie
vielfältige Formen des Erfahrungsaustau-
sches und der Kommunikation ermögli-
chen.
Dieser Ansatz der Ermöglichungsdidaktik
wird in den Diskussionen, die wir erle-
ben, teilweise infrage gestellt, weil die
Menschen mit dieser Konzeption und der
damit verbundenen Selbstorganisation
überfordert wären. Unsere Erfahrungen
zeigen, dass die Lerner, vom Kind und
Jugendlichen bis zum Senior, sehr wohl
in der Lage sind, ihre Lernprozesse indi-
viduell und selbstorganisiert zu gestalten,
sofern sie in ein entsprechendes Lern­
netzwerk und eine Lerninfrastruktur ein-
gebettet sind.
John Erpenbeck, Werner Sauter
Fortsetzung folgt.
In einem zweiten Ar-
tikel zum Thema „Kompetenzkatastro-
phe“, der im nächsten Heft erscheint,
geht es um die Frage, wie einzelne Kom-
petenzen definiert und deren Entwick-
lung gemessen werden kann. Außerdem
schildern die Autoren, wie eine „Kompe-
tenzorientierte Führungskräfteentwick-
lung“ für Führungsanfänger aussehen
sollte.
1...,13,14,15,16,17,18,19,20,21,22 24,25,26,27,28,29,30,31,32,33,...68
Powered by FlippingBook