wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 15

wirtschaft + weiterbildung
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schonungslos aufzuklären, warum es überhaupt so weit kam
und dazu muss man auch die Führungskultur kritisch hinter-
fragen. Wir wissen aus der Forschung, dass Hierarchien den In-
formationsfluss von unten nach oben blockieren. Hierarchien
sind wahnsinnig effizient, wenn es darum geht, Dinge schnell
auf den Weg zu bringen. Aber wenn man dabei in die falsche
Richtung rennt, geht es eben manchmal auch mit Volldampf
ins Verderben.
Lag es also auch an der Angstkultur, die unter VW-Chef
Winterkorn geherrscht haben soll?
Hagen:
Entscheidend ist, welche Ausstrahlung eine Führungs-
kraft hat. Wenn ein CEO über Anweisungen und Vorgaben
führt, wird das in der Regel auch auf den anderen Führungs­
ebenen so übernommen. Da fühlt sich dann keiner dazu beru-
fen, die Anweisungen zu hinterfragen. Viele Mitarbeiter haben
sich vielleicht sogar gedacht, dass Winterkorn von dem Be-
trug weiß und ihn billigt. Er verkörperte ja eine ausgeprägte
Macher-Kultur.
Verhindert das Selbstbild vieler Manager als unfehlbare
Macher einen effektiven Umgang mit Fehlern?
Hagen:
Leider fehlt vielen Führungskräften noch immer die
Akzeptanz ihrer eigenen Fehlbarkeit und die Fähigkeit, eigene
Schwächen einzugestehen. Aber das ist nun mal die Vorausset-
zung für ein effektives Fehlermanagement. Stattdessen leug-
nen sie ihre Fehler, vertuschen sie oder schieben die Schuld
auf andere. Das sind natürlich alles mehr oder weniger neuro-
tische Verhaltensweisen, die letztlich vor allem aus Angst ent-
stehen, als Versager dazustehen. Führungskräfte müssen daher
bei ihrem Umgang mit Fehlern grundlegend umdenken. Sie
müssen Schwächen zulassen und Fehler als Lernchance sehen.
Fehler sind einfach Teil menschlichen Handelns und lassen
sich auch bei größter Sorgfalt nicht immer vermeiden. Wichtig
ist daher der konstruktive Umgang damit. Dabei könnten die
Unternehmen viel von der Luftfahrt lernen.
Warum gerade von der Luftfahrt?
Hagen:
Dort gibt es seit vielen Jahren das Konzept des „Crew
Resource Management“ (CRM), nachdem man Anfang der
1980er-Jahre erkannte, dass die meisten Flugunfälle durch
menschliches Versagen verschuldet wurden. Ein Auslöser war
der Vorfall bei United Airlines 1978 auf dem Flug von Denver
nach Portland. Weil es Probleme mit dem Fahrwerk gab, flog
man Warteschleifen und der Kapitän versuchte vergeblich, das
Fahrwerk wieder flott zu bekommen. Vierzig Minuten später
merkte der Co-Pilot, dass der Sprit zu Ende ging. Er traute sich
aber nicht, das dem höher gestellten Piloten direkt zu sagen
und fragte den Flugingenieur mehrmals laut nach der noch
verbleibenden Spritmenge, was der Kapitän jedoch nicht mit-
bekam, weil er mit dem klemmenden Fahrwerk beschäftigt
war. Schließlich musste die Maschine notlanden, zehn Men-
Management-Forscher.
Prof. Dr. Jan U.
Hagen ist Associate Professor an der ESMT
European School of Management and
Technology in Berlin. Seine Studien zeigen,
dass vielen Managern ein Gespür für die
eigenen Unzulänglichkeiten fehlt. Das wäre
aber ein erster Schritt in Richtung Fehler-
management.
R
Buchtipp.
Jan U. Hagen:
„Fatale Fehler“, Verlag
Springer Gabler, Berlin,
Heidelberg 2013,
211 Seiten, 39,99 Euro.
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