wirtschaft und weiterbildung 4/2015 - page 23

04_2015
wirtschaft + weiterbildung
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lung der Führungs- und Teamkultur! Ein
Anpassungsdruck, der gerne übersehen
wird, kommt von den Frauen – als Partne-
rinnen: Damit die Männer ihre tradierten
Rollen verlassen können, müssen auch
die Frauen sie aus ihren Erwartungen,
zum Beispiel als Haupternährer der Fa-
milie, entlassen und entlasten. Das kön-
nen die Frauen allerdings wohl auch eher,
wenn sie selbst Hoffnungen auf eine Kar-
riere haben können, die ihnen entspricht.
Zwar drängt eine neue Generation jetzt
in die Arbeitswelt, die von anderen Wer-
ten geleitet ist. Doch welche Wirkungen
sie haben wird, ist noch unbekannt. Es
wird spannend sein zu sehen, ob sie sich
anpassen oder es schaffen wird, die Kul-
turen ihren Werten entsprechend zu ver-
ändern. Wer darauf nicht warten will, ist
auf andere Wege angewiesen.
Nur die Frauenquote kann
etwas verändern
Will man überkommene Führungskul-
turen ändern, braucht es Wege, wie
Personen, die Neues verkörpern, in die
entsprechenden Gremien kommen und
zugleich der Anpassungsdruck inner-
halb der Gremien auf sie reduziert wer-
den kann. Erfahrungen mit Diversity-
Programmen und gruppendynamischen
Prozessen legen nahe, dass es einer
„kritischen Masse“ von „andersartigen“
Gruppenmitgliedern bedarf, um Men-
schen von der Anpassungsdynamik zu
entlasten. Diese liegt bei 30 bis 40 Pro-
zent oder mindestens drei Personen. In
den entsprechenden Studien von McKin-
sey und Ernst&Young korreliert ein über-
durchschnittlicher wirtschaftlicher Erfolg
erst dann mit der Beteiligung von Frauen,
wenn mindestens drei Frauen in einem
Vorstandsgremium vertreten sind.
Die Veränderungsresistenz patriarchaler
Führungskulturen führt also zwingend zu
der Einsicht, dass eine „kritische Masse“
an Personen mit modernem Führungs-
verhalten den Weg in die Führungsgre-
mien finden muss, damit die Führungs-
kultur sich ändern kann. Dass dies nicht
auf „natürlichem“ Wege gelingt, sieht
man daran, dass „freiwillig“ nur weni-
gen Frauen der Aufstieg in die entschei-
denden Führungsebenen ermöglicht
wird. Nur die politische Entscheidung
(eines Unternehmens, einer Organisation
oder der Gesellschaft insgesamt, also der
Politik) kann diesen Zustand herbeifüh-
ren: über eine Quote, die jenen „anders
Führenden“ den Zugang zu den ober(st)
en Führungsgremien sichert. Nun gibt
es unbestritten auch Männer, die einem
neuen, post-patriarchalen Führungsver-
ständnis entsprechen. Aber wie könnte
man für sie eine Quotenregelung schaf-
fen? Würde eine solche Quote, so sie denn
überhaupt möglich ist, nicht schneller als
„Weichei-Quote“ diskriminiert sein als
sie überhaupt eingeführt werden kann?
Die Reaktionen auf die Frauen-Quoten-
Überlegungen geben da wenig Hoffnung.
Diese „anderen Männer“ sind also darauf
angewiesen, dass sich die veränderungs-
resistenten Führungskulturen verändern.
Das könnte über die Frauen möglich sein,
wenn sie in größerer Zahl und eher unan-
gepasst in diese Gremien kommen. Und
das geht nur über eine Quote.
Frauen entsprechen mehr der
„modernen“ Führungskultur
Über ihre eindrucksvolle Untersuchung
mit dem Global Executive Leadership
Inventory (GELI) berichteten Herminia.
Ibarra und Otilia. Obodaru unter der
Dr. Monika
Stützle-Hebel
ist Diplom-Psy-
chologin und seit
über 30 Jahren
Expertin für Gruppen- und Organisati-
onsdynamik in den unterschiedlichs-
ten Arbeitsfeldern. Sie war acht Jah-
ren lang Vorsitzende der Deutschen
Gesellschaft für Gruppendynamik
und Organisationsdynamik (DGGO).
Zusammen mit Kollegen und Kolle-
ginnen leitet sie die Organisationsbe-
ratung IOS Mensch & Organisation in
München.
Dr. Monika Stützle-Hebel
Eschenweg 11, 85354 Freising
Tel. 08161 534728
AUTORIN
Überschrift „Visionärinnen gesucht“ im
Harvard Business Manager (3/2009). Sie
wiesen nach, dass weibliche Führungs-
kräfte mehr über mehrere derjene Füh-
rungskompetenzen verfügen, die heute
gebraucht werden. Dies auch deshalb,
weil heute in untere und mittlere Füh-
rungspositionen (nicht aber obere!) be-
vorzugt jene Frauen geholt werden, die
flexibel und teamorientiert sind. Frauen
achten mehr auf die Work-Life-Balance
als Männer – für sich und ihre Mitarbei-
tenden. Und mit ihnen zögen mehr Sinn
für familienfreundliche Arbeitsbedingun-
gen ein, weil auch sie selbst sie brauchen.
Das wäre insbesondere der Fall, wenn
mehr Frauen mit Kindern in den entschei-
denden Positionen wären.
Frauen sind auf jeden Fall anders – als
Frauen. Und häufig genug verhalten sie
sich in der Führung auch anders und eher
so, wie es heute gebraucht wird. Diver-
sity und der Umgang mit Diversity führen
als solche bereits zu einer Kulturverän-
derung und es kommt vor allem darauf
an, dass in die bisher eher homogenen
Führungsgremien „der Unterschied“ ein-
zieht. Und der ist am eindrücklichsten
mit der Unterscheidung der Geschlech-
ter gegeben. Das macht die Frauenquote
wirksam! Auch wenn genau deshalb ihre
Führungsqualifikation (jedenfalls für die
höheren Management-Etagen) infrage
gestellt wird: Es wird den Frauen eher
zugestanden und sogar geschätzt, dass
sie „anders führen“. Männern, die „an-
ders führen“, entsprechen weder dem
patriarchal-autoritären Führungsmodell
noch dem herrschenden Männlichkeits-
stereotyp, womit neben ihrer Tauglichkeit
als Führungskraft auch ihre Männlichkeit
infrage gestellt wird. Das erhöht den un-
bewussten Anpassungsdruck auf Männer.
Fazit: Vieles spricht also dafür, dass eine
Frauenquote für sämtliche Führungsebe-
nen auch die Türen der Top-Führungs-
kreise für jene Männer öffnen könnte,
die heute davor stehen bleiben (müssen).
Eine Frauenquote nicht nur für Aufsichts-
räte, sondern auch für Vorstände und hö-
here Managementebenen ist sicher nicht
die Lösung aller Probleme, aber sie wäre
ein unerlässlicher Schritt zu einem evo-
lutiven Sprung in die Zukunft – auch für
die Männer!
Dr. Monika Stützle-Hebel
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