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04_2015
wirtschaft + weiterbildung
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ger Zeit mit einem rasanten technischen
Fortschritt konfrontiert ist. Entsprechend
schwer planbar ist für das Familienun-
ternehmen die Zukunft – und sei es nur
über einen Zeitraum von zehn Jahren.
Trotzdem möchte die Unternehmens-
leitung bereits heute die Weichen dafür
stellen, dass das Unternehmen auch in
der „nächsten Generation“ gesund und
marktfähig ist. Deshalb startete es 2012
einen Kulturwandel in Richtung Leader-
ship und Projektkultur, um den aus dem
Wandel resultierenden Herausforderun-
gen besser begegnen zu können – mit
selbstverantwortlich agierenden Mitar-
beitern, die eigeninitiativ Ideen und Po-
tenzial einbringen.
Zusammen mit dem Machwürth Team In-
ternational MTI, Visselhövede, wurde ein
Prozesses gestartet, der zuerst einmal die
künftigen Kompetenzanforderungen an
die Führungskräfte definierte. Anschlie-
ßend wurde ermittelt, inwieweit das Ist-
Profil der Führungskräfte noch vom Soll-
Profil abweicht, um die Führungskräfte
gezielt und individuell zu fördern. Außer-
dem startete das Unternehmen für den
Führungsnachwuchs ein Führungskräfte-
Entwicklungsprogramm mit Namen „Fu-
ture Leadership Program“ (kurz FLP).
Dieses besteht aus sechs Trainingsmodu-
len mit folgenden Titeln:
1.
Grundlagen der Führung (inklusive Er-
stellung individueller Persönlichkeits-
profile sowie individueller Coachings)
2.
Rolle und Verantwortung der Füh-
rungskraft
3.
Kommunikation und Soft Skills
4.
Teamführung und -entwicklung
5.
Arbeitsrecht für Führungskräfte
6.
Change Management.
Das Führungskräfte-Entwicklungspro-
gramm startete also mit Bausteinen, bei
denen der Fokus auf der Persönlichkeit
der Teilnehmer lag, wendete sich dann
den Themen Kommunikation und Team
zu, bevor schließlich das Gesamtunter-
nehmen immer stärker in den Blick ge-
riet. Anfang 2014 ging es bei einer FLP-
Gruppe nach dem dritten Trainingsmodul
darum, dass sich diese noch stärker ver-
netzt und ins Unternehmen einbringt. Die
Frage war: Sollte das Unternehmen das
Führungskräfte-Entwicklungsprogramm
so fortsetzen wie bisher oder sollte es
einen starken Impuls hin zur mehr Eigen-
verantwortung der Gruppe setzen, der
das Team-Building befeuert und einen
Mehrwert für das Unternehmen schafft –
zum Beispiel, weil die Gruppe in einem
Projekt ein für das Gesamtunternehmen
relevantes Thema bearbeitet?
Junge Führungskräfte starten
ein eigenes Lernprojekt
Im Dialog mit den FLP-Teilnehmern und
dem Personalbereich des Unternehmens
wurde beschlossen, das Konzept zu än-
dern und im Workshop-Modul 4 im Mai
2014 ein Projekt zu initiieren, das das
klassische Vorgehen bei einem Manage-
mentprozess mit den Besonderheiten
eines zukunftsorientierten Change-Pro-
zesses kombiniert. Entschieden wurde:
Die FLP-Gruppe soll ein Projekt mit
Namen „Next Generation“ durchführen,
in dem unternehmensweit mittels Inter-
views ermittelt wird:
• Wie wird aktuell die Situation des Un-
ternehmens in den verschiedenen Be-
reichen gesehen?
• Wie sieht aus deren Warte die Zukunft
des Unternehmens aus (2025)?
Die Ergebnisse der Erhebung sollten ins
Unternehmen zurückgespiegelt werden,
um als Basis für weitere unternehmens-
entwicklerische Maßnahmen zu dienen.
Mit dem Projekt verbundene Lern- und
Entwicklungsziele für die FLP-Teilnehmer
waren:
• Sie sollen anhand eines unternehmens-
relevanten Themas beispielhaft ein
Change-Projekt praktisch planen, ma-
nagen und steuern.
• Sie sollen sich in diesem Prozess ge-
meinsam den Umgang mit (Change-)
Management-Werkzeugen erproben,
die das Unternehmen künftig braucht.
• Sie sollen eigenständig eine Aktionsfor-
schung durchführen, deren Ergebnisse
Betroffenheit auslösen und für die wei-
tere Entwicklung genutzt werden kön-
nen.
Der gesamte Prozess wurde firmenintern
von der Personalentwicklung und dem
externen Berater begleitet. Ende Mai 2014
startete das Projekt. Im ersten Schritt wur-
den Situationserfassungen in zehn unter-
schiedlichen Bereichen und Abteilungen
durchgeführt, um einen repräsentativen
Überblick über das Gesamtunternehmen
zu erhalten. Von Vorteil war hierbei, dass
die FLP-Gruppe aus 12 Führungsnach-
wuchskräften aus den unterschiedlichs-
ten Bereichen und Abteilungen des Unter-
nehmens bestand – darunter gewerbliche
und kaufmännische Bereiche. Vorbereitet
wurde die Situationserhebung im Work-
shop „Teamführung und -entwicklung“,
weil nur ein „funktionierendes“ Team
eine solche Aufgabe neben der Alltagsar-
beit bewältigen kann.
Die Situationserhebung erfolgte in Form
von Interviews. Methodisch orientierte
sich das Vorgehen an den Grundsätzen
der Aktionsforschung und dem U-Modell
von Otto Scharmer. Lern- und Entwick-
lungsziele für die Teilnehmer waren hier-
bei unter anderem:
• Die Teilnehmer setzen sich aktiv mit
den verschiedenen Sichtweisen des Un-
ternehmens und seiner Bereiche sowie
deren Zukunft auseinander und ver-
dichten die gewonnenen Erkenntnisse,
• sie lernen, systematisch eine Situation
zu erfassen und Diagnosetools (auch
für Change- und Innovationsprozesse)
anzuwenden,
• sie erkennen und reflektieren „blinde
Flecken“, Denk- und Verhaltensmuster
sowie Chancen für Veränderung und
Innovation in der Organisation,
• sie setzen sich mit der jetzigen und der
angestrebten künftigen Führung und
Zusammenarbeit im Unternehmen aus-
einander.
Die Aktionsforschung selbst wurde in be-
reichsübergreifenden Befrager-Tandems
durchgeführt. Diese bestanden aus je
zwei FLP-Teilnehmern, deren Arbeitsbe-
reiche im Unternehmen eher wenige Be-
rührungspunkte haben – um auch eine
„Außen“-Sicht zu erhalten. Dieser Mix
führte zu einem tiefergehenden Verständ-
nis; außerdem zu Aha-Erlebnissen, wie
der andere Bereich arbeitet.
Interviews in den Bereichen
bringen Klarheit
In der ersten Phase wurden 50 Interviews
in zehn Fachbereichen und -abteilungen
durchgeführt. Kernfragen der Interviews
waren: Wo stehen die Abteilung/der Be-
reich und das Unternehmen heute?, Wie
wird die Situation in 2025 aussehen? Wie
stellen wir uns die „nächste Generation“