training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
04_2015
Gemeinsam ist den Mitarbeitern jedoch:
Sie müssen aufgrund des kontinuierli-
chen Veränderungs- und Verbesserungs-
bedarfs, der in ihrer Organisation unüber-
sehbar besteht, zunehmend die Kompe-
tenz erwerben,
• selbst zu erkennen, wo bei ihnen ein
Lern- und Entwicklungsbedarf besteht
oder entsteht und
• diesen Bedarf entweder selbst oder mit
selbstorganisierter Unterstützung zu
befriedigen.
Auch beim Entwickeln dieser Kompetenz
benötigen sie Unterstützung, weshalb
eine wachsende Zahl von Unternehmen
berufserfahrene Mitarbeiter als Trainer,
Coach oder Lernbegleiter ausbildet.
Entwicklungsperspektive
„interner Trainer“
Dabei gilt es jedoch zu beachten: Nicht
jeder berufserfahrene Mitarbeiter eignet
sich als Trainer, Coach oder Lernbeglei-
ter. Denn sowohl für angehende firmen-
interne Trainer als auch Coachs gilt: Sie
müssen Lust auf den Kontakt mit Men-
schen und ein Gespür für sie haben. So
muss zum Beispiel ein Trainer in einer
Schulung auf verschiedene Typen zu- und
eingehen können – unabhängig davon,
ob diese in einem Seminarraum oder am
Arbeitsplatz stattfindet. Und ein Coach
oder Changebegleiter? Er muss mit Men-
schen eine so innige Vertrauensbeziehung
aufbauen können, dass diese mit ihm
auch über berufliche Probleme und Bar-
rieren sprechen, die ihre Wurzeln in ihrer
Persönlichkeit haben. Eine Voraussetzung
hierfür ist eine wertschätzende Haltung
gegenüber anderen Menschen. Denn ak-
zeptiert und respektiert ein Coach oder
Trainer andere Wertvorstellungen und
Einstellungen nicht, dann kann er auch
keine von Vertrauen geprägte Beziehung
zu seinem Gegenüber aufbauen. Folglich
kann er ihn auch nicht zu einer Einstel-
lungs- oder Verhaltensänderung motivie-
ren.
Eine weitere Grundanforderung an Trai-
ner und Coachs, Wissensmultiplikatoren
und Changebegleiter – oder wie die fir-
meninternen Unterstützer sonst noch hei-
ßen – ist: Sie müssen sich als Person zu-
rücknehmen können. Denn ihre Funktion
ist es nicht, sich zu profilieren, sondern
andere Menschen in ihrer Entwicklung zu
unterstützen und zu begleiten. Sind diese
Grundvoraussetzungen erfüllt, gilt es den
angehenden Trainern oder Coaches die
Kompetenzen zu vermitteln, die sie für
ihre künftigen Aufgaben brauchen. Ein
Trainer muss zum Beispiel wissen, wie
Lernprozesse bei Menschen ablaufen,
und er muss diese gestalten und struktu-
rieren können.
Außerdem benötigt er gruppendynami-
sches Know-how. Er sollte zum Beispiel
wissen: Wie motiviere ich Menschen
zum Lernen und wie gehe ich mit Kon-
flikten in Gruppen um? Ähnlich verhält
es sich bei einem Coach. Da er jedoch
primär mit Einzelpersonen arbeitet und
mit ihnen auch über Themen spricht, die
deren Persönlichkeit tangieren, benötigt
er auch ein hohes Einfühlungsvermögen
und natürlich ein fundiertes psychologi-
sches Know-how.
Interne Trainer haben
überraschend viele Vorzüge
In vielen Unternehmen ist der Change-
und Lernbedarf heute so groß, dass er mit
externen Trainern, Beratern und Coaches
allein nicht mehr gedeckt werden kann
– auch weil diese gegenüber firmenin-
ternen Unterstützern folgende Nachteile
haben:
• Sie kennen die Kultur, „Historie“ und
Arbeitsabläufe in der Organisation
nicht und müssen erst „eingearbeitet“
werden.
• Sie sind in der Organisation nicht ver-
ankert und verfügen über kein firmen-
internes Netzwerk.
• Sie sind bei akuten „Problemen“ (oft)
nicht sofort erreich- und ansprechbar.
Und:
• Sie sind „Externe“, zu denen die Betrof-
fenen meist weniger Vertrauen als zu
Kollegen haben.
Deshalb empfiehlt sich – gerade, wenn
es um die Strategieumsetzung auf der
operativen Ebene oder Shopfloor-Ebene
geht – oft der (ergänzende) Einsatz be-
rufserfahrener Mitarbeiter als Trainer,
Berater oder Coaches. Diese Funktion
könnten zwar auch jüngere Mitarbeiter
übernehmen, doch vieles spricht für ihre
älteren Kollegen – beispielsweise ihre
in der Regel höhere Gelassenheit, wenn
Probleme und Widerstände auftauchen.
Außerdem ihre aus Erfahrung resultie-
rende Fähigkeit, das Wesentliche oder Er-
folgsrelevante schneller zu erkennen und
nicht vorschnell irgendwelchen von den
Wirtschaftsmedien gerade „gehypten“
Management- oder Technologie-Trends
hinterherzulaufen. Hinzu kommt: Mit
einer Ausbildung zum firmeninternen Be-
rater oder Coach, Trainer oder Lernbeglei-
ter zeigen die Unternehmen ihren älteren
Mitarbeitern, die noch zehn, 15 oder gar
zwanzig Jahre Berufstätigkeit vor sich
haben, eine Entwicklungsperspektive jen-
seits der Führungslaufbahn auf. Das sorgt
für einen Motivationsschub bei ihnen, da
ihnen nicht das Gefühl vermittelt wird,
aus Unternehmenssicht zunehmend zum
„Alt-Eisen“ zu gehören, sondern weiter-
hin einen wertvollen Beitrag zum Erfolg
des Unternehmens zu leisten.
Der Einsatz älterer Mitarbeiter als firmen
interne Trainer, Berater oder Coaches
stellt zudem sicher, dass wertvolles Er-
fahrungswissen an die jüngere Genera-
tion weitergegeben wird. Dadurch macht
das Unternehmen einen Schritt in Rich-
tung lernende Organisation. Das heißt, in
der Organisation etabliert sich allmählich
eine Kultur des generationenübergreifen-
den Lernens sowie der Veränderung. Und
diese ist eine Grundvoraussetzung dafür,
dass Unternehmen in einem dynami-
schen Umfeld auch mittel- und langfristig
erfolgreich sind.
Reiner Voss
R
Reiner Voss.
Der Geschäftsführer des
Hamburger Trainings- und Beratungs-
unternehmens Voss+Partner
ldet firmen-
interne „Wissensvermittler“ aus.